Was war geschen? Das Team um den bekannten Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff war für seine jüngste Reportage undercover bei "vitesca" aktiv, um zu demonstrieren, wie unappetitlich es in manchen deutschen Großküchen zugehe, die Gerichte für Kitas, Schulen und Pflegeheime produzieren. Schimmelige Gurken und Fleisch, dessen Haltbarkeitsdatum angelaufen war — "vitesca" musste mitansehen, wie der gute Ruf eines halbe Jahrhunderts innerhalb von Minuten zerstört wurde. Nach dem ersten Schock nahm man Stellung: Die angeblichen Enthüllungen, so "vitesca", seien nicht mehr als "hanebüchene Behauptungen und ein Zerrbild durch geschickte Schnitte".

Was folgte, war der Versuch, die Vorwürfe von RTL Punkt für Punkt zu entkräften. Was nun wiederum darauf folgte, war eine Mitteilung des Kölner Privatsenders mit der Aufforderung an "vitesca", diese Behauptungen unverzüglich zurückzunehmen, sonst behalte man sich juristische Schritte vor. Gegenseitig wirft man sich vor, nicht die Wahrheit zu sagen. Für den Verbraucher bleibt das undurchsichtig.

RTL fordert "vitesca" auf, gemeinsam das Videomaterial anzusehen. Aber der Caterer ist skeptisch. Das Vertrauensverhältnis ist zerstört; man fürchtet, nur ein weiteres Mal vom Sender in die Pfanne gehauen zu werden. Während man bei RTL also offenbar die "Enthüllungsstory" gerne weiter kochen möchte, ist man in Vohwinkel um Schadensbgrenzung bemüht.

"Viele Kunden", sagt "vitesca"-Pressesprecher Erik Schweitzer, "haben seit dem Bericht von ihrem Recht Gebrauch gemacht, unseren Dienst abzubestellen." Im Klartext: Fast die Hälfte der Kunden sind abgesprungen. Klar, dass dies Konsequenzen hat. Kommende Woche wird ein großer Teil der Wuppertaler Belegschaft ihren Job verlieren. "Die Verzweiflung bei uns im Haus ist groß", so Schweitzer.

Wenn Natalie Cirocki auf die RTL-Sendung angesprochen wird, die dort gegen "vitesca" erhoben werden, ist ihr der Ärger deutlich anzumerken. Natalie Cirocki arbeitet beim Bergischen Veterinäramt und hat das Wuppertaler Unternehmen bereits öfter geprüft.

"Hygienische Mängel konnten bei ,vitesca' nicht festgestellt werden", erklärt sie nach der Untersuchung, die man auf Einladung von "vitesca" durchgeführt habe. Das abschließende Ergebnis gibt es in der kommenden Woche. Erst im Dezember 2014 war "vitesca" von den Bergischen Überwachungsamts-Vertretern unangemeldet besucht und kontrolliert worden — und wurde mit "gut" beurteilt. Cirocki betont, dass rechtlich betrachtet, nichts zu beanstanden ist. "Wer sich aber um die Qualität von Schulessen sorgt, der muss sich auch fragen, was man für 2,20 Euro pro Mahlzeit erwarten kann."

Ein weiteres Problem: Die RTL-Aufnahmen von der vermeintlichen Lebensmittelzubereitung wurden im September 2014 mit versteckter Kamera gefilmt — neun Monate später lässt sich da natürlich nichts mehr prüfen, so Cirocki. "Was ich jedoch nicht verstehe: Wenn man sich bei RTL so unsicher ist, was die Hygiene bei ,vitesca' betrifft, warum hat man nicht zeitnah eine Anzeige erstattet und uns informiert?" Die Antwort gibt sie gleich mit: "Möglicherweise, weil es denen weniger um das Wohl der Kinder, sondern um eine gute Quote geht."

"Wir müssen uns schon sehr sicher sein, bevor wir mit so etwas an die Öffentlichkeit gehen", erklärt Matthias Bolhöfer, Pressesprecher beim Kölner Sender. Und: Man wollte laufende Recherchen mit einer öffentlichen Anzeige nicht gefährden. Bolhöfer: "Es bestand keine unmittelbare Gefahr, aber das müssen wir von Fall zu Fall gewissenhaft abwägen."

"vitesca" ist derweil um Transparenz bemüht. "Unsere Kunden sind eingeladen, jederzeit unangemeldet vorbeizukommen und sich den Betrieb anzusehen", sagt Pressesprecher Erik Schweitzer. "Wir müssen jetzt alle Kraft investieren, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Für den Kampf mit RTL haben wir da keine Energie."

Beachten Sie dazu auch unsere Umfrage (bis 23. Juni 2015, 11 Uhr): hier klicken!