Prozess Gruppenvergewaltigung: Nur der "Nach-Hause-Fahrer"?

Wuppertal / Essen · Der Essener Gerichtsprozess um eine Serie von Gruppenvergewaltigungen steht bundesweit im Fokus. Einer der fünf Angeklagten ist Wuppertaler.

 Der Angeklagte Wuppertaler — hier versteckt hinter einem Aktenordner — mit seinem Verteidiger.

Der Angeklagte Wuppertaler — hier versteckt hinter einem Aktenordner — mit seinem Verteidiger.

Foto: Schümmelfeder

Die Mädchen waren hübsch, jung und lebenslustig. Die Jungs waren topmodisch und "süß', wenn man den anfänglichen Schwärmereien der Mädchen folgt — und dann plötzlich abgebrüht und brutal. Die Konsequenz aus diesem Miteinander wurde jetzt vor dem Landgericht Essen verhandelt. Angeklagt sind dort fünf junge Männer mit deutschem Pass im Alter zwischen heute 17 und 24 Jahren, die 16-jährige Mädchen genötigt oder vergewaltigt haben sollen.

Unter ihnen ein Wuppertaler (20), der bereits am ersten Verhandlungstag als erster der Gruppe ausgesagt hat und noch weiter vernommen werden soll. Sieben Mädchen wurden Opfer der sexuellen Übergriffe — ob sich weitere derartige Fälle abgespielt haben, wird noch ermittelt.

Das Strickmuster war bei allen Taten ähnlich: Der Schönste der Gruppe, ein Fußballspieler, wurde als Lockvogel in die sozialen Medien gestellt. Sprang ein Mädchen darauf an, verabredete man sich zu einem gemeinsamen Treffen. Im Hintergrund aber gab es zwei Chat-Gruppen, in denen sich die Nachwuchs-Machos gegenseitig aufstachelten und vereinbarten, wie sie diese Annäherungen auszunutzen gedachten.

Von Liebe war sicher keine Rede: Nach den Polizeiprotokollen wurden die Mädchen eher mit wüsten Beleidigungen und zynischen Herabsetzungen bedacht. Das Wort "Schlampe" war da noch eins der harmloseren. Die späteren Vergewaltigungen wurden dort mit drastischen Worten bis ins Detail geplant.

Der Wuppertaler, der sich durch seinen Anwalt grundsätzlich zu der Beteiligung an den Taten bekannte und den Opfern eine Entschuldigung für seine Taten anbot, beschrieb die üblichen Abläufe aus seiner Sicht. Demzufolge wurde aus der Zweisamkeit im Auto bei einem Stopp an der Tankstelle plötzlich ein Gedränge, als sich drei bis vier andere der Gruppe mit ins Auto quetschten und das Mädchen auf dem Rücksitz in die Mitte nahmen.

Zuerst wurde den Mädchen das Handy abgenommen. Es folgten Drohungen, sie zu schlagen, sich wehrende Mädchen "kaputt zu machen" und sie in unbekannten Gegenden auszusetzen. Wodka von der Tankstelle half dabei, die Mädchen gefügig zu machen. Meist kam es zu Vergewaltigungen, in einem Fall blieb es bei einer Nötigung.

Erwartungsgemäß spielte der Wuppertaler seine Beteiligung an den sexuellen Übergriffen herunter, er sei nach eigenen Angaben eher der Nach-Hause-Fahrer und der Verständnisvolle gewesen. Auf die Frage des Gerichts, warum er trotz seiner Bedenken bei den Taten nicht ausgestiegen sei, wies er auf den Gruppendruck innerhalb seines weitläufigen Sinti-Clans hin. Er habe seine Freunde nicht verlieren wollen.

Die Vernehmung des Wuppertalers wird am 6. August fortgesetzt. Erwartungsgemäß werden seine Kumpane für Gegenbeschuldigungen sorgen — 20 weitere Verhandlungstage sollen Klarheit schaffen. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit wurde vom Gericht abgelehnt.

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