Forensik: Grüne skeptisch

Wuppertal / Düsseldorf · Die Bürgernitiative und die Parteien nehmen Stellung zur geplanten Forensik-Standort in Wuppertal.

Klaus Jürgen Reese (SPD-Fraktionsvorsitzender): "Wir erkennen an, dass auch der Standort 'Kleine Höhe‘ in Wuppertal, und besonders im Bezirk Uellendahl-Katernberg, umstritten ist. Das Land hat aber einen von allen Landtagsfraktionen getragenen Kriterienkatalog erstellt, nach welchem die Standorte im Land verteilt worden sind. Hier kann sich Wuppertal der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung des Maßregelvollzuges nicht entziehen. Der Standort 'Kleine Höhe‘ ist nach unserer Einschätzung geeigneter für die Errichtung einer solchen Klinik. Wir erwarten, dass die Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten über das gesetzlich vorgeschriebene Maß des Bebauungsplanverfahrens hinausgehen. Wir wissen, dass nicht alle Wuppertalerinnen und Wuppertaler von der Standortwahl 'Kleine Höhe‘ überzeugt werden können. Gleichwohl werben wir für eine möglichst große Akzeptanz zur Errichtung einer Maßregelvollzugsklinik an diesem Standort."

Dorothea Glauner (Fraktionsvorsitzende der WfW): "Die Ratsfraktion der Wählergemeinschaft für Wuppertal (WfW) spricht sich mit Entschiedenheit gegen die Bebauung der Kleinen Höhe durch eine Forensik aus und erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Bezirksvertretung Uellendahl-Katernberg seit Jahren einstimmig gegen die Bebauung des landwirtschaftlich und ökologisch wichtigen Gebietes gestimmt hat. Die WfW-Fraktion hat gefordert und fordert weiterhin, einen Standort im Zuständigkeitsbereich des Landgerichtes, außerhalb der Stadt Wuppertal zu finden. Hat doch unsere Stadt bereits wertvolle Flächen hergeben müssen, um zwei Justizvollzugsanstalten zu bauen. Auch hier wurde massiv in die Natur eingegriffen, zuletzt im Jahre 2008 auf dem Naherholungsgebiet auf Erbschlö. Ein Standort außerhalb unserer Stadt galt zunächst als sicher, bis man versäumte, Verhandlungen fortzuführen und Einvernehmlichkeit zu erzielen. Ein eklatanter Fehler, der uns nun teuer zu stehen kommt. Wir fordern weiterhin: Keine Forensik in Wuppertal und appellieren an die Grünen in Stadt und Land alles zu tun, um die Bebauung der Kleinen Höhe zu verhindern."

Georg Weber (Sprecher der Bürgerinitiative "Keine Forsensik auf Lichtscheid"): "Offenbar hat Ministerin Steffens hinzugelernt und möchte sich nicht völlig über die Entscheidung der Stadt gegen eine Maßregelvollzugsanstalt auf Lichtscheid hinwegsetzen. Leider besteht die Gefahr, dass es in der Stadt jetzt zu einer Spaltung kommt. Wuppertal hätte es verdient, überhaupt keine dritte Vollzugsanstalt schultern zu müssen. Wir haben uns von Anfang an auf Lichtscheid konzentriert. Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Maßregelvollzugsanstalt, haben aber schon früh eigene Anforderungen an einen Standort definiert. Dazu gehören z.B. ein Mindestabstand zur Wohnbebauung und die Forderung, die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Lichtscheid ist für eine solche Anstalt aus sachlichen Gründen ungeeignet, darum muss ein geeignetes Gelände gefunden werden. Welches das sein kann, müssen andere prüfen."

Rainer Spiecker (CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordneter): "Die CDU Wuppertal steht zu ihrer Aussage, dass ein Standort für die Forensik auf Lichtscheid nicht in Frage kommt. Wenn jedoch im Landgerichtsbezirk Wuppertal ein solcher Standort eingerichtet werden muss, werden wir uns dem Vorschlag ,Kleine Höhe‘ nicht verschließen können. Dabei fordern wir die Ministerin aber auf, bei der Planung für diesen Standort die berechtigten Belange des Landschaftsschutzes und der Nachbarn so zu berücksichtigen, dass eine verträgliche Lösung gemeinsam entwickelt werden kann. Weiterhin fordern wir die Verwaltung auf, bei der Planung die Bürgerinnen und Bürger in einem erweiterten Beteiligungsverfahren in die Umsetzung der Maßnahme einzubinden."

Bündnis 90/Die Grünen: "Die Entscheidung für die Ansiedlung einer forensischen Klinik im Landgerichtsbezirk Wuppertal ist gefallen. Klarheit gibt es aber trotzdem noch nicht. Das NRW-Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat sich für den Standort Müngstener Straße entschieden und will eine Bauvoranfrage für die Fläche der jetzigen Bereitschaftspolizei stellen. Doch nach dem Willen der großen Koalition im Rat könnte nun noch eine Alternative in Betracht kommen: nämlich die Kleine Höhe. Bündnis 90/Die Grünen möchten in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass der im September abgewählte Oberbürgermeister Peter Jung während seiner Amtszeit jegliche Zusammenarbeit mit dem Land verweigert hat, um einen für alle Seiten akzeptablen Standort im Landgerichtsbezirk zu finden und stattdessen mit seiner Haltung (,Keine Forensik in Wuppertal‘) jede Einflussmöglichkeit der Kommunen aus der Hand gegeben hat. Als im Jahr 2012 absehbar wurde, dass diese Haltung der Stadt eine Forensik im Stadtgebiet trotzdem nicht verhindern konnte, brachte er als Alternative für die Müngstener Straße die Kleine Höhe in die Debatte ein. Schon damals haben wir diesen Schnellschuss eindeutig kritisiert. Anders als Peter Jung, Stadtdirektor Dr. Slawig und die sie im Rat stützende Koalition aus SPD und CDU, die das Gebiet im Bezirk Uellendahl-Katernberg immer schon für die unterschiedlichsten Nutzungsmöglichkeiten opfern wollten, haben Bündnis 90/Die Grünen stets auf die große ökologische Bedeutung der Kleinen Höhe aufmerksam gemacht. Mit einer nun klaren Priorisierung der Stadt zugunsten der Kleinen Höhe als Forensikstandort missachten sowohl Verwaltung als auch die große Kooperation die einstimmige Beschlusslage der Bezirksvertretung Uellendahl-Katernberg, die sich seit Jahrzehnten gegen jegliche Bebauung der Fläche ausspricht. Nun macht der neue Oberbürgermeister Andreas Mucke gemeinsam mit den Fraktionen von SPD und CDU erneut ein zweites Fass auf und will auf der Kleinen Höhe Baurecht für die Forensik schaffen, damit das Land seine Pläne für die Müngstener Straße aufgibt. Gäbe es dort Baurecht, so wäre die Kleine Höhe wahrscheinlich die wirtschaftlichste Lösung. So wird erneut Verunsicherung an zwei Standorten gleichzeitig ausgelöst. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisiert dieses Vorgehen scharf. Ob es gelingen wird, Baurecht auf der Kleinen Höhe zu schaffen, wird sich erst in einem Bauleitplanverfahren zeigen, in dem u. a. eine umfangreiche Artenschutzprüfung durchgeführt werden muss. Nach Abwägungen aller Kriterien hält die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Fläche der Kleinen Höhe - insbesondere aus ökologischen Gründen - nicht für besser geeignet als den Standort Müngstener Straße. Stadtspitze und die große Koalition im Rat reagieren nun kopflos und versuchen kurzfristig und zu Lasten des Naturschutzes, die falsche Strategie des Rathauses aus der Vergangenheit zu heilen. Damit sind sie verantwortlich für den Ausverkauf der Kleinen Höhe als hochwertige ökologische und landwirtschaftlich genutzte Fläche, als bedeutsamen regionalen Grünzug, als Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen sowie als wertvolles Quellgebiet. Auch können mit der Ansiedlung einer forensischen Klinik andere Nutzungen auf den verbleibenden Flächen zukünftig nicht vollständig ausgeschlossen werden. Wir haben die Aussagen von Oberbürgermeister Mucke in seiner Haushaltsrede kurz nach Amtsantritt aufmerksam zur Kenntnis genommen und es begrüßt, dass er Schwerpunkte auch auf Umwelt- und Klimaschutz sowie auf Nachhaltigkeit legen will. Darüber hinaus hatte er im Wahlkampf angekündigt, im Falle seiner Wahl zum Oberbürgermeister weitere Standorte für eine Forensik in Wuppertal prüfen zu wollen. Leider stellt sich nun heraus, dass er diese Zusagen nicht einhalten kann und den Alternativvorschlag, den er von seinem Amtsvorgänger geerbt hat, nicht abwenden konnte. Aufgrund des hohen Bedarfes an forensischen Einrichtungen und nach Abwägung aller Kriterien erscheint der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Müngstener Straße als Standort geeigneter als die Kleine Höhe, so wie wir es auch in der Vergangenheit und zuletzt im OB-Wahlkampf erklärt haben. Es müsste eigentlich im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen, den Anwohner*innen ihre Ängste zu nehmen, zeigen doch Beispiele aus vielen anderen Kommunen, dass eine Forensik, auch in der Nähe von Wohnbebauung, problemlos in die Quartiere integriert werden könne, und zwar ohne Einschränkungen für das Umfeld. Auch bauliche Aspekte wie der Blick auf eine hohe Mauer oder eine ständige Beleuchtung lassen sich durch technische Maßnahmen ausräumen. In Köln, Dortmund und in anderen Kommunen sind die forensischen Kliniken mittlerweile von der Bevölkerung akzeptiert und integriert in den Stadtteil. Bündnis 90/Die Grünen stellen sich der Verantwortung, auch hier in Wuppertal eine forensische Klinik vorzuhalten, denn ein Großteil der Menschen, die in eine forensische Klinik eingewiesen werden, kommt aus unserer Mitte. Es handelt sich um psychisch kranke oder suchtkranke Menschen, die eine Straftat begangen haben, aber aufgrund ihrer Erkrankung vermindert schuldfähig sind. Auf der einen Seite muss die Bevölkerung vor diesen Menschen, von denen — wenn sie nicht therapiert werden — eine Gefahr ausgeht, geschützt werden. Auf der anderen Seite müssen wir diesen Menschen die Chance geben, wohnortnah therapiert zu werden. Die heute von der Verwaltung vorgestellte Alternative bringt jedoch aus unserer Sicht keine Verbesserung im Vergleich zu den bisherigen Planungen."

Alexander Schmidt (FDP-Fraktionsvorsitzender): "Natürlich sind wir bereit, Verantwortung bei der Standortsuche für eine neue forensische Klinik zu übernehmen. Jedoch hätten wir uns gewünscht, dass nicht schon wieder Wuppertal eine weitere Last tragen muss. Das hätten angesichts der beiden bereits vorhandenen Justizvollzugsanstalten auch einmal andere Kommunen übernehmen können. (…) Es wird also auf eine Entscheidung zwischen dem Standort Lichtscheid und der Kleinen Höhe hinauslaufen. Das stadtplanerische Entwicklungspotenzial für die Fläche an der Müngstener Straße beurteilen wir seit Beginn der Diskussionen als zu hoch ein. Wo, wenn nicht hier, kann hochwertige Wohnbebauung entstehen und fortentwickelt werden? Außerdem steht das Land hier bereits im Wort. Seit Jahren fordern wir, die Kleinen Höhe mit ihren etwa 35 Hektar Gesamtfläche als Gewerbefläche zu nutzen, was bislang an den hohen Erschließungskosten gescheitert ist. Bei der Ansiedlung einer forensischen Klinik ist der erste Schritt einer Erschließung gemacht und es bleiben immer noch zirka 20 Hektar übrig. Diese sollte man mit Blick auf die zukünftig zu bewältigenden Aufgaben für die Stadt Wuppertal und damit verbundenen Kosten in diesem Zusammenhang offensiv vermarkten."

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