„Sound of the City“ Wie klingt sie — diese Stadt?

Wuppertal · Heimat. Wohl kaum ein anderer Begriff wurde in der letzten Zeit derart oft verwendet und kontrovers diskutiert. Und auch das Festival "Sound of the City" der Oper Wuppertal steht in diesem Jahr unter dem Titel "Copyright Heimat".

 Immo Karaman ist Kurator des Opern-Festivals „Sound of the City“ — und er sagt: „Wir sollten den Begriff Heimat nicht länger den Nazis und Nationalisten überlassen. Heimat ist der Reichtum der Vielfalt.“

Immo Karaman ist Kurator des Opern-Festivals „Sound of the City“ — und er sagt: „Wir sollten den Begriff Heimat nicht länger den Nazis und Nationalisten überlassen. Heimat ist der Reichtum der Vielfalt.“

Foto: Max Höllwarth

Kurator Immo Karaman möchte mit acht Aufführungen, einem Filmabend und einer Ausstellung zwischen dem 5. und dem 19. Mai ein vielschichtiges und inklusives Bild von Heimat zeichnen.

Der Deutsch-Türke, der in Wuppertal bereits "Aschemond" inszeniert hat, stellte sich selbst schon oft Fragen nach Identität und Zugehörigkeit. "Was mich dabei nicht interessierte, war jede Form des Nationalgefühls. Ich hatte das Bedürfnis, in die Stadt zu gehen und nach Menschen zu suchen, die sich die gleichen Fragen stellen wie ich."

Ein Jahr lang tauchte der 46-Jährige ein in die Stadt, führte viele Gespräche, fand tolle Projekte und stolperte dabei über das Medienprojekt und Horst Wegener. "Das war ein Superglücksfall", schwärmt Karaman von dem Wuppertaler Rapper, der gerade erst mit Flo Mega auf Tour war. "Er steht mit seiner Musik, seinen Texten und seiner Person, Wegener ist Sohn einer Ecuadorianerin und eines Deutschen, aufgewachsen in Wuppertal und beschäftigt sich in seinen Songs mit Fragen nach Identität, einfach für alles, was das Thema für mich ausmacht. Also beschloss ich, ihm die Konzeption eines Abends zu überlassen." Herausgekommen ist

"Heimat.Gefühle", ein Programm mit vielen Wuppertaler Künstlern, die sich an drei Abenden in Folge (9., 10., 11. Mai) im Foyer des Alten Schauspielhauses treffen. Brenda Boykin und Florian Franke werden ebenso dabei sein wie Jan Röttger, Maik Ollhoff oder Roman Babik. "Ich habe durch das Projekt die Chance bekommen, auf Musiker zuzugehen, mit denen ich bisher noch nicht gearbeitet habe, wie Jonas David", sagt Wegener. Mit ihm schreibt er derzeit einen Song zum Thema Heimat. Es wurde also was in Gang gesetzt …

Der Abend selbst soll eine musikalische Reise werden. "Es wird drei Bühnen geben, von denen aus wir uns gegenseitig zuspielen, ineinander übergehen und unterschiedliche Standpunkte vertreten", verrät Wegener. Sentimental werde es vor allem zugehen, mit einem kleinen "Wachmacher" hier und da. Bei fünf Songs unterstützt der Opernchor die Sänger. Dazu wird es jeden Abend einen anderen Special Guest geben. Neben einer kleinen Besetzung des Royal Street Orchestra (Dinlenti am 9. Mai) und Elektro Hafiz (11. Mai) wird dies der Rapper Samy Deluxe (12. Mai) sein. Deluxe ist eine Art Mentor für Horst Wegener, hat ihn musikalisch beeinflusst und produziert mit dem 21-Jährigen momentan ein Album. "Damit schließt sich für mich ein Kreis", erklärt Wegener.

Was für Karaman wiederum wichtig ist: Die Abende werden eine offene, sehr improvisierte Form haben. "Es gibt kein Ergebnis, keine Antworten. Der Begriff von Heimat, den ich im Kopf habe, der hat viel mit Nostalgie zu tun, mit Heimkehr und Schmerz. Er hat mit Seele zu tun." Da fast alle Abende bis auf die Eröffnung im alten Schauspielhaus stattfinden, drängt sich diese Frage geradezu auf: Dient das alte Schauspielhaus als Symbol für verlorene Heimat? Karaman überlegt einen Moment. "Wir haben sechs Monate nach einem Ort in der Stadt gesucht, der zu uns spricht. Dann standen wir vor dem Schauspielhaus — und da wussten wir, das passt. Für mich ist dieser Ort wie ein Mahnmal. Das hätte in dieser Stadt niemals passieren dürfen!"

Um den Verlust von Heimat geht es am 15. Mai mit einer musiktheatralen Aufführung des Autors Helîm Yûsiv. Der 51-Jährige wuchs in Syrien auf und kam als politischer Flüchtling 2000 nach Deutschland. Gemeinsam mit dem Theater "Wupperspuren", dem Expat Philharmonic Orchestra entwickelt sich daraus ein Abend mit Musik, Lesung und dramatisierten Momenten.
Geht es um das Spannungsfeld von Heimat und Fremde, dann kommt man in Wuppertal an Else Lasker-Schüler nicht vorbei. Am 16. Mai sind dazu verschiedenste Vertonungen ihrer Lyrik zu hören. "Da gibt es eine Riesenspannbreite an Klangwelten zu entdecken", verspricht Immo Karaman. Beteiligt sind unter anderem die Opernsängerinnen Ralitsa Ralinova und Nina Koufochristou, Joyce Tripiciano und die Schauspielerin Julia Reznik.

Ums Herz dreht sich alles am 18. Mai, wenn die "Juliet Letters" des britischen Songpoeten Elvis Costello im Fokus stehen — gespielt vom "Indigo Quartett". Immo Karaman: "Ich wollte unbedingt etwas über die Liebe dabeihaben, denn Heimat und Liebe, das gehört zusammen."
Eine Suche nach Klängen ihrer Heimat unternehmen zum Abschluss am 19. Mai Mitglieder von Opernensemble und -chor gemeinsam mit musikalischen Paten aus der Stadt.

War noch was? Aber ja! Der furiose Auftakt der Reihe am 5. Mai in der Stadthalle mit der "Istanbul Sinfonie" von Fazil Say, gespielt vom Sinfonieorchester und türkischen Instrumentalisten, unterstützt vom Opernchor und dem Chor Eski Dostlar. "Ein sehr vielschichtiges Stück, von einer unbeschreiblichen Sehnsucht, unglaublich anrührend und emotional", schwärmt Karaman.

"Copyright.Heimat" läuft vom 5. bis 19. Mai. Alle Termine und Informationen stehen auf oper-wuppertal.de. Karten gibt's bei der Kulturkarte unter Telefon 563—7666 und auf www. kulturkarte-wuppertal.de

Anmerkung der Redaktion: Die in der Printausgabe erschienenden Daten berufen sich auf eine erste Version der Flyer und sind nicht mehr korrekt. Die Konzertdaten wurden für den Online-Artikel aktualisiert.

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