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Wuppertal · Acht Erzählungen von Arber Shabanaj und eine "metaphysische Utopie" von Michael Hartig

 „Haus, wo sind deine Spiegel?“ von Arber Shabanaj: Erschienen im BS-Verlag, kostet im Buchhandel 12,50 Euro.

„Haus, wo sind deine Spiegel?“ von Arber Shabanaj: Erschienen im BS-Verlag, kostet im Buchhandel 12,50 Euro.

Foto: BS-Verlag

Wer Wuppertals Buchszene aufmerksam verfolgt und "Haus, wo sind deine Spiegel?" in die Hand nimmt, dem wird es bekannt vorkommen. Der 1970 im Kosovo geborene Arber Shabanaj, von Beruf Biologe und Jurist, hatte schon vor zwei Jahren einen fast identischen Erzählungsband veröffentlicht. Damals hieß das Buch "Haus ohne Spiegel". Jetzt hat Shabanaj den Verlag gewechselt, das Ganze überarbeitet, einen Text hinzugefügt — und mit leicht verändertem Titel neu herausgebracht.

Shabanaj, der 1991 aus seiner albanischen Heimat vertrieben wurde und als (viele Jahre nur geduldeter) Asylbewerber nach Deutschland, zuletzt nach Wuppertal, kam, lenkt auch in der Zweitversion seines literarischen Erstlings den Blick auf die kosovo-albanische Lebenswirklichkeit. Vier seiner acht Erzählungen schildern auf eindringliche Weise Menschen und Realitäten in einer Region, die — obwohl längst Teil der (ost)europäischen Gegenwart —, immer noch als "verschlossen" gelten muss.

Shabanajs weitere Texte reflektieren unterschiedliche Facetten dessen, was er während seiner Asylbewerberzeit in Deutschland erlebt hat. Und das sind weiß Gott keine Ruhmesblätter deutschen Umgangs mit der damals ersten großen Flüchtlingszuwanderungsphase im Verlauf der 90er Jahre. Arber Shabanaj verarbeitet seine Themen sehr persönlich — und sehr poetisch. Angesichts der Tatsache, dass der Flüchtling seinerzeit keinerlei offizielle Förderung in Sachen deutscher Sprache erhalten hat, muss die literarisch-bildstarke Qualität seiner Texte unbedingt hervorgehoben werden.

Hier geht es um Liebe, Emotionalität, zarte Gefühle, vorsichtige Erotik — aber auch um Verbitterung, Verlust, Ausbeutung und Unterdrückung. Es geht um eine Heimat, die mit vielen Sehnsüchten verbunden, aber verloren ist. Und um ein neues Zuhause, das hart erarbeitet sein will, weil es nicht mit offenen Armen und offenen Türen daherkommt.

Ein erstaunliches und ungewöhnliches 170-Seiten-Buch. Es (wieder) zu lesen, fügt der Weltsicht (oder dem Bild des heutigen Europa) definitiv einige wichtige Facetten hinzu. BS-Verlag, 12,50 Euro.

Mit ganz neuen Facetten — und zwar was die Frage nach der tatsächlichen Realität unserer Welt angeht, beschäftigt sich auch der Wuppertaler Michael Hartig. "Mein Zwilling" heißt seine 180-seitige "metaphysische Utopie", die auf mehreren Ebenen mit dem Fragenkomplex, was Traum und was Wirklichkeit ist, spielt. Es geht um eine Forschergruppe, die einen "Kommunikator" entwickelt, mit dem, sehr vereinfacht gesagt, Gedanken sichtbar gemacht sowie Inhalte ins menschliche Gehirn implantiert werden können.

Psychologie, Philosophie sowie Physik und Computertechnik spielen eine große Rolle — und ihre unterschiedlichsten Dimensionen werden überall auf den Seiten von "Mein Zwilling" ausführlich diskutiert. Vor allem im Zwiegespräch des Ich-Erzählers mit seinem "Zwilling", dem er im Traum begegnet. Und dabei wird schnell deutlich, dass die Frage, ob es hier um Träume geht, kaum verlässlich zu beantworten ist. Hartig gelingt es, über etwa zwei Drittel der Erzählung den Eindruck aufrecht zu erhalten, das erzählende Ich sei eine bestimmte Person, die bestimmte Dinge erlebt, um dann ganz en passant zu enthüllen, dass alles keineswegs so einfach ist.

Doch damit nicht genug: Dass noch (mindestens) eine zusätzliche Dimension hinzukommt, wird erst ganz zum Schluss des Textes klar. Die Frage, was denn nun von all dem, was hier niedergeschrieben ist, "wahr" und/oder "geträumt" ist, muss der Leser letztlich ganz allein beantworten. Und dass dem Buchuntertitel "Eine metaphysische Utopie" der Zusatz "Teil 1" hinzugefügt ist, lässt vermuten, dass das Spiel mit den Realitätsebenen noch weitergehen wird...

Michael Hartig schreibt einen trockenen, um Alltagsleichtigkeit bemühten Stil, der vom Leser aber immer auch fordert, sich auf philosophisch-metaphysische Diskurse einzulassen. Hier geht's um das vielleicht letzte Geheimnis unserer durch und durch verwissenschaftlichten Welt — die Träume. Und dass es wahrscheinlich besser ist, wenn die Wissenschaft davon die Finger lässt — dieses Gefühl bleibt während des ganzen Buches. Ebenso wie viele, sehr viele offene Fragen. Erschienen bei Books on Demand (BoD), 12,99 Euro.

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