1. Kultur

Die Zofen: Kein Ausweg, nirgends

Die Zofen : Kein Ausweg, nirgends

Jakob Fedler inszeniert Jean Genets "Die Zofen" im Theater am Engelsgarten.

Eine schräge graue Wand, aus der hoch oben ein paar bunte Kleiderstoffe herausragen. Mehr gibt es nicht. Trostlos, kalt, ohne einen Ausgang — eine Art Gefängnis, in dem die beiden Zofen Claire (Lena Vogt) und Solange (Philippine Pachl) ihr Dasein fristen. Gelangweilt stehen sie zu Beginn des Stücks herum, bis Claire plötzlich beginnt, gurgelnde Laute von sich zu geben und sich an den Hals zu fassen. Dann kippt sie um. Doch Solange rennt zu ihr, richtet sie auf und es beginnt ein Spiel aus Demütigung, sexueller Verlockung und Erniedrigung, Macht und Unterwerfung. Die beiden Zofen spielen ihr Lieblingsspiel: "Herrin und Diener".

Jakob Fedler inszeniert Jean Genets "Die Zofen" (1947), das am vergangenen Wochenende im Theater am Engelsgarten Premiere hatte, als Spiel um des Spielens willen und folgt damit dem Leitgedanken der aktuellen Spielzeit. In den "Zofen" bedeutet das: Der Mensch existiert nur im Spiel. Nur dann, wenn Claire und Solange ihr abgründiges Spiel treiben, indem sie ihre Herrin nachäffen, ihre Kleider tragen und ihren Hass auf sie in lustvollen Mordphantasien ausleben, können sie ihren Gedanken und Empfindungen auch Ausdruck verleihen — und treten somit als Individuum in Erscheinung. Spielen die beiden Zofen nicht, dann stehen sie wie passive Figuren am Spielfeldrand. Verdammt, dieses kalte, triste Leben zu ertragen, das ihnen jegliches persönliche Empfinden untersagt. Spielen ist die einzige Form der Handlungsfreiheit für Claire und Solange.
Dorien Thomsen verweigert mit der kargen Bühne und den nur angedeuteten Kostümen — die Zofen tragen weder richtige Dienstkleidung, noch im Spiel die Kleider ihrer Herrin — eine Verankerung der Geschichte in Ort und Zeit. Das ist nicht nur der kleinen Bühne und dem geringen Budget geschuldet, sondern unterstreicht auch die Trostlosigkeit dieses Daseins, das nirgends Halt zu bieten scheint. Gunda Gottschalk hat dazu einen Klangteppich aus Glas-Perkussions komponiert, der sich leise, aber kontinuierlich ins Hirn bohrt und die monotone Qual verstärkt. All dies überträgt sich auch auf den Zuschauer: Denn trotz des emotionalen Spiels der Schauspielerinnen bleibt das Geschehen letztlich doch kühl und distanziert und ohne erkennbar eigene Handschrift.

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Philippine Pachl und Lena Vogt spielen sich auf dieser Bühne knapp 100 Minuten geradezu die Seele aus dem Leib. Sie gurren, kokettieren, bestrafen und winseln, toben, rutschen auf den Knien, ziehen an den Haaren, schreien und verzweifeln. Pathetisch und manchmal auch komisch. Julia Reznik sorgt mit ihrem Auftritt als Herrin für eine kurze bunte Auszeit. Mit knallrotem Haar, grell geschminkt erscheint sie zwischen dem Kleiderknäuel oben an der Wand — unerreichbar für ihre Zofen — und liefert eine herrlich theatralisch-komische Vorstellung.

Die Zofen: Kein Ausweg, nirgends
Foto: Uwe Schinkel

Am Ende, nach einem letzten Spiel der beiden Zofen, zeigt sich eine überraschende Wendung. Denn durch ihr Spiel, so scheint es, hat Claire ihren eigenen Charakter entdeckt und trifft erstmals eine eigene, aktive Entscheidung...
"Die Zofen", Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, keine Pause. Weitere Aufführungen am 18. und 19. November, 3. und 9. Dezember sowie am 18. Januar und 2. Februar. Karten gibt es bei der Kulturkarte unter Telefon 563-76 66 und www.kulturkarte-wuppertal.de. Mehr Infos unter: www.wuppertaler-buehnen.de