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Interview mit Catriona Morison: "Es ist alles so verrückt!"

Interview mit Catriona Morison : "Es ist alles so verrückt!"

Sie hat es tatsächlich geschafft. Seit ihrer Kindheit hat die Schottin Catriona Morison den Wettbewerb "BBC Cardiff Singer of the World" im Fernsehen verfolgt. Am vergangenen Sonntag gewann die 31-jährige Mezzosopranistin den Contest, der so etwas wie der "Oscar" für die Sänger ist.

Zwei Tage nach ihrem unglaublichen Erfolg traf Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz die Sängerin, die seit der Spielzeit 2016/17 zum Ensemble der Wuppertaler Oper gehört, im Foyer des Opernhauses.

Gestreiftes Sommerkleid, die langen roten Haare fallen offen auf die Schultern, so eilt sie herein — die frisch gekürte "Cardiff Singer of the World", so etwas wie die "beste Sängerin der Welt". Wobei — sie schwebt vielmehr. Noch immer sichtlich bewegt von den Ereignissen der letzten Tage, ist "verrückt" das Wort, das im Gespräch immer wieder ihre eigene Fassungslosigkeit verrät.

Rundschau: Herzlichen Glückwunsch! Haben Sie schon verstanden, was da am Sonntagabend passiert ist?

Morison: Danke! Ich bin noch vollkommen überwältigt. Montag war so ein verrückter Tag. Ich hatte nur zwei Stunden Schlaf, es gab Sonntag noch eine riesige Party in Cardiff. Dann musste ich schon zum Flieger zurück nach Wuppertal. Ich habe allein am Sonntag 150 Whats-App-Nachrichten bekommen — sowas habe ich noch nie erlebt.

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Rundschau: Sie haben den Cardiff-Wettbewerb verfolgt seit Sie ein Kind sind. Was bedeutet es, nun selbst teilgenommen und sogar gewonnen zu haben?

Morison: Ach, ich habe es einfach so genossen, überhaupt dort singen zu dürfen. Die Atmosphäre ist wahnsinnig toll, es hat einen Festivalcharakter. Und es war eine Ehre mit all den wunderbaren Sängern und Musikern dort auf der Bühne zu stehen.

Rundschau: Und dann haben Sie auch noch gewonnen ...

Morison: Ja, ich weiß. Verrückt! Ich war schon schockiert, als man mir die Wild Card fürs Finale gegeben hat. Ich habe da wirklich nicht mit gerechnet. Eine Britin hat den Wettbewerb noch nie gewonnen, ich bin so stolz als Schottin gewonnen zu haben!

Rundschau: Sie haben sich der Jury mit einer großen Repertoire-Bandbreite vorgestellt und als einzige vier, statt drei Stücke gesungen. Meinen Sie, dass das den Ausschlag gegeben hat?

Morison: Ich weiß es nicht. Ich hatte keine Strategie, ich wollte einfach nur viel zeigen: Purcell, Rossini, Richard Strauss und Ravel. Wir hatten für unseren Finalauftritt 14 bis 18 Minuten Zeit und durften alles singen, was wir wollten. Ich liebe alte Musik, daher musste Purcell unbedingt dazu, Händel hatte ich ja schon in der Qualifikationsrunde gesungen.

Rundschau: Und ist alles glatt gelaufen?

Morison: Ja, es lief gut. Nicht perfekt, aber perfekt ist es in der Kunst ja nie, das ist langweilig. Und selbst wenn man einmal einen kurzen Texthänger hat, muss es einfach weitergehen.

Rundschau: Hatten Sie eine Vorahnung, dass Sie sich zum Sieg gesungen haben?

Morison: Nein. Das Publikum war toll, da merkt man schon, wie man ankommt. Aber die Jury ist professionell. Ich war wirklich total überrascht, als sie es verkündet haben. Verrückt!

Rundschau: Jetzt sind Sie berühmt. Werden Sie schon auf der Straße erkannt?

Morison (lacht): Ja, wirklich. Mich hat auf dem Weg zurück in Amsterdam ein amerikanisches Paar angesprochen. Sie waren nur wegen des Wettbewerbs in England und wollten dann ein Foto mit mir machen.

Rundschau: Viele Cardiff-Teilnehmer und Finalisten haben danach Weltkarriere gemacht. Haben Sie schon Angebote bekommen?

Morison: Ja, tatsächlich. Es gab schon welche, aber ich hatte noch keine Zeit, mich damit zu beschäftigen. Ich will mir Zeit nehmen dafür, die richtigen Entscheidungen treffen. Und eines steht fest, ich brauche professionelle Unterstützung bei der Sichtung und Bewertung der Angebote. Die Resonanz war übrigens so groß, dass meine Homepage ein paar Mal in die Knie gegangen ist. Ich brauche erst mal Zeit, das alles zu begreifen.

Rundschau: Was sind denn Ihre Pläne für die nächsten Wochen?

Morison: Ich muss mich jetzt auf das Open-Air-Konzert am 15. Juli auf dem Laurentiusplatz vorbereiten. Da stehe ich mit dem Sinfonieorchester auf der Bühne und werde unter anderem die Carmen singen. Dann mache ich Urlaub, fahre nach Schottland und besuche meine Familie. Und ich werde mit Freunden in Bulgarien am Strand liegen und vielleicht auch einmal nicht an die Oper denken.

Rundschau: In der nächsten Spielzeit werden Sie noch in Wuppertal singen, oder?

Morison: Ja, ja! Ich singe bei "Hänsel und Gretel" im Dezember den Hänsel. Das wird mein Debüt in dieser Rolle, darauf freue ich mich sehr! Und ich bin auch schon ganz gespannt auf Julia Jones. Sie ist so toll, ich respektiere sie sehr. Das ist alles so schön, verrückt

Rundschau: Dann fühlen Sie sich wohl hier?

Morison: Ja, es ist toll in Wuppertal. Ich habe es schon beim Vorsingen damals gemerkt. Die Atmosphäre im Opernhaus ist herzlich und ganz natürlich. Alle sind so normal, man kann mit allen sprechen, es gibt keine Hierarchien, die Kollegen sind alle so nett — es macht einfach so viel Spaß hier. Das findet man nicht überall, das ist schon besonders in Wuppertal, gerade mit meinen unmittelbaren Kollegen in der Oper. Direkt nach meiner Rückkehr haben sie, der Intendant und der Chor eine kleine Überraschungsparty für mich gemacht und mich unter einem Vorwand ins Theater bestellt. Ich war sehr gerührt, so viel Anteilnahme, Freude und positive Energie zu erleben.