Enno Schaarwächter Ein Mann wie ein Mastbaum

Wuppertal · Nach 17 Jahren und neun Intendanten verabschiedet sich Enno Schaarwächter als Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen in den Ruhestand.

 Die Reden auf Enno Schaarwächters Abschiedsfeier zeichneten sich alle durch Warmherzigkeit, Humor und Leidenschaft aus. Als „ruhender Pol“ wurde er trefflich bezeichnet.

Die Reden auf Enno Schaarwächters Abschiedsfeier zeichneten sich alle durch Warmherzigkeit, Humor und Leidenschaft aus. Als „ruhender Pol“ wurde er trefflich bezeichnet.

Foto: Bettina Osswald

Neun Intendanten hat er in 17 Jahren erlebt. Enno Schaarwächter hat mit ihnen gelitten, gekämpft, diskutiert und auch die Freuden geteilt. Es gab viel zu erzählen bei der Verabschiedung des Geschäftsführers der Wuppertaler Bühnen vor geladenen Gästen auf der Bühne und im Kronleuchterfoyer des in der Schaarwächter-Ära renovierten Opernhauses — und (wie immer) am Rand des offiziellen Teils.

Sämtliche Reden beeindruckten durch Warmherzigkeit, Humor, Leidenschaft und sogar mit Ansätzen wohlwollender Ironie. Von Oberbürgermeister Andreas Mucke (die Herren kennen sich lange), Kultur-Dezernent Matthias Nocke ("Liebe Trauergemeinde") bis zum Führungs-Trio Julia Jones, Berthold Schneider und Thomas Braus mit der Ernennung zum Ehrenmitglied der Bühnen. Von den beiden Betriebsrats-Vorsitzenden Martin Roth und Marco Agostini bekam Schaarwächter nicht nur das Plakat-Bild aus seinem Büro mit den Unterschriften aller Mitarbeiter überreicht. Die Gäste erfuhren auch von dem für seinen Job eher ungewöhnlichen Zollstock im Schreibtisch und davon, dass er zur Erweiterung des Sprachschatzes der Mitarbeiter Wertvolles geleistet habe.
Beim Sketch mit der jetzt in Hamburg ansässigen Maresa Lühle als seine Sekretärin Tatjana Siemens und dem drollig bebrillten Thomas Braus als "Herr Schaarwächter" konnte man sich lebhaft den Arbeitsalltag vorstellen.

Das unterhaltsame und auch kulturell in der richtigen Liga angesiedelte Abschieds-Programm mit dem virtuosen Opernchor ("Glühwürmchen flimmere") und den Gesangs-und Instrumental-Solisten Ralitsa Ralinova, Sangmin Jeon, Iva Miletic und Momchil Terziyski bot beste Unterhaltung. Es war wohltuend, dass aus dem populären Ensemble der Weigand-Ära der Bariton Thomas Laske und die junge Mutter Annika Boos zum Abschied eingeladen wurden.

Mit "ruhender Pol" wurde Enno Schaarwächter treffend beschrieben. Viele kritische, aber auch spannende Phasen waren für ihn in den 17 Bühnenjahren zu bewältigen. Meist mit wenig Geld: Die Probleme der Schließung des Schauspielhauses, die Renovierung und Wieder-Eröffnung des Opernhauses bildeten nur einen Teil davon. Es war ein besonderes Kompliment, dass aus der wenig glücklichen Zeit der Schiller-Theater-Ehe mit Gelsenkirchen die damaligen Führungskräfte Ludwig Baum und Peter Neubaur gekommen waren. Sie erinnerten sich, dass die zum Weltstar gewordene Sopranistin Anja Harteros mit einer kleinen Rolle als Gouvernante in der selten gespielten Benjamin Britten-Oper "The turn on the screw" ihre Karriere begann. Bei der Premiere am 25. Januar 1998 war das Barmer Opernhaus überschaubar besucht, der Applaus ebenso.

Seine 46-jährige Karriere bei der Stadt begann Schaarwächter als Zeitarbeiter beim Sozialamt im Barmer Rathaus. Bei der Berufsberatung hatte man ihm empfohlen: "Fangen Sie bei der Stadt an. Das ist sicher." Vor der Festanstellung landete er 1973 beim Sozialamt ("Ich wusste damals darüber sehr wenig bis nichts") und ein Mitarbeiter hat ihm auf den Weg gegeben: "Wenn Sie hier klarkommen, haben Sie woanders auch keine Probleme." Schaarwächter meisterte wohl auch deshalb den Spagat vom Sport-und Bäderamt zu den Bühnen.

Der damalige Kultur-Dezernent Heinz-Theodor Jüchter hat ihn gelockt: "Ich habe einen interessanten, neuen Job für sie." Das fand auch Schaarwächter. Er stieß zunächst auf Ungläubigkeit und auch Misstrauen, doch auch der damals skeptische, ehemalige General-Intendant Gerd Leo Kuck sagt heute: "Er hat wirklich gut gelernt."

Enno Schaarwächter wird auch nach dem 31. Dezember nicht aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit seiner Heimatstadt verschwinden. Wenn die Reise mit dem Frachtschiff (OB Mucke: "Reicht die Pension nicht für ein normales Schiff?") vorbei, die Tochter in Kanada besucht ist und die ersten Ruhephasen genossen sind, wird er sich verstärkt im Vorstand der AWO einbringen — und die Bundesgartenschau-Pläne könnten einen kreativen Kämpfer mehr im Boot haben. Immerhin ist er nun auch mit einem Rettungsring und Kapitänsmütze ausgerüstet.

Bis Jahresende wird er seinen Nachfolger Daniel Siekhaus einarbeiten. Eine klassische Win-win-Situation. Für den "Mann wie ein Mastbaum" (Zitat Matthias Nocke) ist es die Gnade des sanften Übergangs und für den 32-jährigen Mann aus Hagen mit der Wohnung im Luisenviertel und der bereits großen internationalen Erfahrung kein Sprung ins eiskalte Wupperwasser. Und für die Bürochefin Tatjana Siemens ergeben sich noch zahlreiche Gelegenheiten, mit Enno Schaarwächter endlich über die wirklich wichtige Dinge reden zu können ...

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