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Nach Toreschluss - die Wochenendsatire: Strafzettel-Super-Sale

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Strafzettel-Super-Sale

Vorige Woche habe ich ja über den Kollegen geschrieben, der ein Gnadengesuch bei der Bezirksregierung einreichen musste, um einen Punkt in Flensburg wieder loszuwerden, den man ihm völlig unberechtigt verpasst hatte.

Diese Woche setze ich verkehrssanktionstechnisch noch einen drauf. Und zwar mit der Untat des nächsten Rundschau-Kollegen, den wir aus Gründen, die sie gleich verstehen werden, Herrn Schliemann nennen wollen.

Herr Schliemann bereiste vor genau einem Jahr mit Gattin und Auto die historisch bedeutsame Touristenregion rund um Neapel. Ein flirrrender kampanischer Frühsommertraum, geprägt von Sonnenschein, knuspriger Pizza, mediterranen Fischgerichten, leichten Weißweinen und dem ständigen Blick aufs Tacho. Schließlich weiß man, dass der Italiener zwar die schnellsten Sportwagen in Europa baut, gleichzeitig aber auch über die strengsten Geschwindigkeitskontrollen samt drakonischer Strafen verfügt. Ein Paradoxon, das schon manchen Touristen noch kälter erwischt hat als die Preise für einen Cappuccino am berühmten Markusplatz in Venedig.

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Herr Schliemann jedoch ließ seine Pneus mit sorgsam dosierter Geschwindigkeit über Straßen rollen, auf denen vielfach noch die Reifen der Pferdewagen der alten Römer zu sehen sind, und kam gänzlich unbehelligt wieder in Wuppertal an.

Zwölf Monate später erreichte ihn jetzt ein förmlich aussehender Brief aus Italien. Was mochte es sein? Ein nachträgliches Dankschreiben vom Tourismusminister? Nein — es handelte sich um ein Knöllchen wegen des Befahrens eines archäologischen Fundgebietes am 1. Mai 2016 in der Ausgrabungsstätte Paestum.

Dazu muss man wissen, dass die antiken Tempelanlagen in Paestum Weltkulturerbe sind und mit zum Bedeutendsten gehören, was in Italien an Ruinen steht. Da durchzufahren ist ungefähr so, als würde man mit einem SUV zwischen den Säulen der Akropolis Slalom fahren. Böser Herr Schliemann!

Nur war es so, dass sich selbiger gar nicht daran erinnern konnte, größere Mengen Altertümer fahrlässig übermöllert zu haben. Auf so ein gravierendes Vergehen deutete die angekündigte Strafe von freundlichen 120,07 Euro nämlich eindeutig hin. Nähere Recherchen ergaben aber, dass man ihn lediglich des Befahrens einer gesperrten Straße bezichtigte, über die er seinen Wagen zum offiziellen Parkplatz der Anlage pilotiert hatte.

"Ich habe mich tatsächlich gewundert, dass alle anderen da zu Fuß gingen", erinnerte sich Herr Schliemann nach dem intensiven Studium der Örtlichkeiten auf der nützlichen Plattform Google Earth und konnte wenig zu seiner Verteidigung vorbringen. Außer vielleicht, dass ihn sein Navi ausdrücklich über genau diesen ordentlich asphaltierten Weg mit den vielen Andenkenläden am Rand geschickt hatte. Und dass die Straße auf dem Satellitenbild mit Blumenkübeln abgesperrt war, die augenscheinlich bewegt werden können, um den verbotenen Weg temporär freizumachen. Vielleicht speziell dann, wenn sich Touristen mit Autos aus französischer Fabrikation nähern, wie Herr Schliemann eines fährt ...

Mehr noch als dieses Rätsel beschäftigten Herrn Schliemann allerdings die Zahlungsmodalitäten: "Die Zahlung des Bußgeldes im gesetzlich festgelegten Mindestmaß reduziert um 30 % ausgeführt binnen 5 Tagen nach Erhalt dieses Bescheides beträgt 95,77 Euro inklusive aller Verwaltungskosten, ausgeführt innerhalb von 120 Tagen 120,07 Euro" ließ ihn das Schreiben auf Deutsch wissen.

Das wirft natürlich Fragen auf: Sind in Italien gerade Schnäppchenwochen bei Knöllchen mit tollen Rabatten? Oder gibt es besonders viel Skonto bei schneller Zahlung, weil das Wort ja vom Italienischen "scontare" (abziehen) kommt? Und sind 30 Prozent von 120 überschlägig kalkuliert nicht eigentlich 84 statt 95? Rechnet der italienische Finanzminister ähnlich exakt und hat er vielleicht deshalb so ein hohes Defizit?

Herr Schliemann hat den Strafzettel-Super-Sale jedenfalls genutzt und etwas widerwillig gezahlt, um nicht am Ende noch von einer Kohorte römischer Legionäre verschleppt und mit Löwen und Tigern in die Arena des SSC Neapel geschickt zu werden. Beim Ausführen der Überweisung fiel sein Blick aus dem Fenster gleich gegenüber auf das Werbeplakat mit dem Slogan, der gerade tausendfach in Deutschland hängt: "Wer Rabatte gibt, war vorher schon zu teuer..."

Vielleicht kam dessen Texter gerade aus dem Italienurlaub ...

Bis die Tage!