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Nach Toreschluss - die Wochenendsatire: Mocha light Frappuccino blended beverage

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Mocha light Frappuccino blended beverage

Viele Sachen waren ja früher einfacher. Zum Beispiel Kaffee. Es gab schwatten Kaffee und welchen mit Milch oder Zucker oder mit beidem und natürlich draußen nur Kännchen — Feierabend.

Italienurlauber haben dann in den 80er Jahren neben gefälschten Uhren auch noch Lust auf Cappuccino, Latte Macchiato und Espresso mitgebracht und damit weitere Sorten bei uns etabliert. Außerdem wurden in Traditions-Cafés von jeher Kosakenkaffee und Irish Coffee für die Druckbetankung älterer Damen in Persianerjäckchen vorgehalten. Damit war das kaffeearomatische Spektrum aus meiner laienhaften Perspektive eigentlich vollständig abgedeckt.

Dann kamen die Amerikaner und konfrontierten uns mit einer neuen Kaffee-Shop-kultur to go und to bleib da, bei der jeder Bestellvorgang am kilometerlangen Tresen zum Abenteuer wird. Die freundlichen Servicekräfte fragen nämlich nicht nur eine präzise Auswahl aus mindestens 100 möglichen Kaffeesorten und -gebinden, sondern auch noch den Namen des Bestellers ab.

enn man wie ich einen relativ seltenen und speziell für süd- oder osteuropäische 450-Euro-Kräfte relativ komplizierten Vornamen hat, ist beides ein echtes Problem. "Ruderick" hat daher neulich bei Starbucks aus Versehen einen "Mocha Light Frappuccino blended beverage" getrunken. Ich stellte fest, dass es sich um die Tofuwurst unter den Kaffeespezialitäten handelt — kalt und mit mit fast allem drin außer Kaffee. Wenn man sich traut, kann man übrigens auch einen Filterkaffee bestellen. Dann bekommt man allerdings automatisch einen Betreuer zugewiesen, der einen auf dem Weg zum Tisch stützt ...

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Apropos Filterkaffee: Früher wurde Kaffee zu Hause ja auch noch mit klassischen Kaffeemaschinen gemacht. Die kamen mir wegen ihrer einfachen Bedienbarkeit sehr entgegen. Man musste nur eine zur eingefüllten Wassermenge passende Menge Pulver in eine Filtertüte kippen, einen einzigen Knopf drücken und hatte dann eine Kanne Kaffee.

Ich weiß noch gut, dass mir die Pulvermenge immer sehr wenig vorkam und ich deshalb ein bisschen mehr genommen habe. Manche Gäste konnten nach einer Tasse Trapp-Kaffee daher bereits zwei Nächte später wieder einige Stunden schlafen ...

Heute stehen solche Kaffeemaschinen eigentlich nur noch bei Menschen, die auch noch einen Röhrenfernseher haben. Moderne Haushalte wie unserer verfügen über einen Vollautomaten, für dessen Betrieb man allerdings idealerweise über Gesellenbriefe als Schiffsmaschinist und Gebäudereiniger verfügen sollte. Die komplexen Mahl- und Hochtemperatur-Brühvorgänge im Inneren der Maschine, die wir liebevoll "Fukushima" nennen, sind nämlich vergleichsweise störanfällig.

Wenn man den Ein-Knopf drückt, geht in 50 Prozent der Fälle nicht der vom Lärmpegel her der Bahnhofsdurchfahrt eines Güterzuges ähnelnde Produktionsvorgang los, sondern eines von zahllosen roten Lämpchen an. Bestenfalls fehlt nur Wasser.

Manchmal muss auch der Auffangbehälter für die Kaffeeklopse geleert werden, die sich dann während des Transportes gerne auf dem Küchenboden verteilen. Und besonders häufig fordert die Maschine eine sofortige Entkalkung an. Dazu muss man ätzende Säure durch die Röhrchen laufen lassen, die Minuten später wieder das Kaffeewasser transportieren sollen. Das gibt einem insgesamt kein gutes Gefühl, aber hinterher immerhin wieder eine schöne Crema auf dem Kaffee, die man mit mit den herkömmlichen Maschinen nie hinbekommen würde.

Bei den Amerikanern, die meinen Namen schon nicht kennen, kann ich übrigens auch Bohnen für unsere Maschinen kaufen. Der saisonale Favorit ist ein "Tribute Blend" — "würzig mit vollem Körper und einer Note von Beeren und dunkler Kirsche". Das ist überragend: Und genau die gleiche Beschreibung wie auf dem Etikett der Flasche Cabernet Sauvignon in unserem Weinregal.

Einer von beiden lügt also — und mit Blick auf Donald Trump habe ich da auch schon einen ganz konkreten Verdacht, wer es sein könnte ...

Bis die Tage!