Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Mahlzeit!

Wuppertal · An der Computertastatur hat man ja eine Löschtaste, mit der man unnützen Kram per Knopfdruck loswerden kann. In der Politik (Seehofer, Trump) oder im Fußball (Löw, Neymar) wäre so eine Taste auch überaus wünschenswert.

 Roderich Trapp.

Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Es gibt sie aber nicht. Mit dem Löschen ist das ohnehin so eine Sache.

Facebook beispielsweise macht das automatisch, wenn man besonders schlimme Dinge postet. Dafür haben ganze Schwadronen von turnbeschuhten IT-Spezialisten mit Hipster-Bärten und Nerd-Brillen in Working-Spaces mit Kickern und Sofas ein hoch komplexes Programm geschrieben. Dieses Programm hat jetzt unglücklicherweise die amerikanischen Unabhängigkeitserkärung gelöscht, die ein Nachrichtenmagazin anlässlich des Independence Days bei Facebook veröffentlicht hatte. Teile davon hatte der elektronische Kontrolletti als Hassrede erkannt und damit für politisch nicht korrekt gehalten. So schnell kann das gehen.

Ich frage mich gerade, ob mit unserer Sprache möglicherweise bereits vor geraumer Ähnliches passiert ist. Möglicherweise kennen Sie das auch: Sie treffen vormittags jemand und der begrüßt Sie mit "Morgen!" Wahrscheinlich meint er "Guten Morgen!", denn dass ich weiß, dass Morgen ist, wenn ich jemandem um 8 Uhr begegne, sollte der Gesprächspartner eigentlich voraussetzen. Sonst wäre ich ja nicht aufgestanden. Irgendjemand muss das "Guten ..." also gelöscht haben. Genau wie beim "Guten Tag", den wir in Wuppertal fast nur noch in Form eines rustikal herausgeblafften "Tach!" antreffen.

Nach 18 Uhr gibt es ein ähnliches Phänomen: "Guten Abend" hört man fast nur noch von den Nachrichtensprechern. 90 Prozent der Menschen inklusive der Mainzelmännchen sagen dagegen "‘nAbend" - auch hier ist die wunschbehaftete Grußformel irgendwann gelöscht und durch einen undefinierbaren Röchel-Laut ersetzt worden. Wenn es dunkel geworden ist, sagt man dann "Nacht!", was sachlich richtig, ohne "Gute" davor aber auch eher beliebig ist.

Da fragt man sich: Wie kommt sowas? Wer hat die guten Wünsche aus unserer Umgangssprache gelöscht? Ich habe da zwei Theorien: Entweder haben die Menschen irgendwann erkannt, dass das Wünschen weitgehend erfolglos war und das Unterbewusstsein hat darauf mit einer Löschung der entsprechenden Begrüßungsformeln reagiert. Oder man hat uns ähnlich wie Computersystemen einen Virus eingepflanzt, der bewährte Begrüßungen massakriert und neue, unsinnige erfindet.

Für Variante Nummer zwei spricht das zutiefst rätselhafte "Mahlzeit!", das sich Menschen in deutschen Firmen mittags völlig sinnfrei zurufen. "Mahlzeit!", das es nie mit "Gute ...", Leckere ..." oder "Bekömmliche ..." davor gab, ist so, als würde man sich statt "Gute Fahrt!" nur "Auto!" wünschen. Vielleicht sollten wir "Mahlzeit!" einfach alle löschen. Dafür bräuchten wir nicht mal eine Tastatur ...

Bis die Tage!

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