Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Im Reiche des silbernen Löwen

Wuppertal · Ausweislich der projekteigenen Homepage sollte 2018 in der ehemaligen Bundesbahndirektion am Döppersberg das City Outlet Wuppertal eröffnen. Ich war da, mal nachgucken, habe es aber nicht gefunden. Entweder es ist donnerstags geschlossen oder gar nicht da.

 Die Löwen vor der ehemaligen Bundesbahndirektion.

Die Löwen vor der ehemaligen Bundesbahndirektion.

Foto: Wuppertaler Rundschau

Der mit Holzbalken vernagelte Haupteingang legt nahe, dass eher Letzteres der Fall ist.

Entdeckt habe ich dafür etwas anderes: Mitten in der Grünfläche vor dem nicht vorhandenen Outlet stehen plötzlich zwei Löwen auf der grünen Wiese. Die sind natürlich nicht echt, ganz so einsam und versteppt ist das tote Ende des Döppersbergs nun doch noch nicht. Es handelt sich vielmehr um zwei silberne Löwen auf grauen Sockeln, von denen keiner so genau weiß, wie sie eigentlich da hin kommen.

Früher gab es ja zwei Löwenstatuen, die seit 1967 links und rechts der Treppe zum Haupteingang der Bundesbahndirektion standen. Die hat der Investor mitgekauft und zuletzt liegend auf Europaletten in einem kleinen Innenhof des riesigen Gemäuers gelagert. Das ist nicht unbedingt artgerechte Denkmalhaltung und für die Löwen ziemlich langweilig, weil sich in dem Bau ja nichts tut.

Den silbernen Kollegen draußen geht es allerdings nicht viel besser, weil durch ihr Revier nur geht, wer unbedingt mal den schönen Panoramablick auf die mausgrauen 50er-Jahre-Fassaden der westlichen Elberfelder City genießen will. Also eigentlich niemand.

Ich habe mal bei der Stadt nachgefragt, was es mit den beiden Raubtieren auf sich hat. Auskunft: Die Stadt hat sie angeschafft, um die Tradition fortzusetzen und dabei auf etwas modernere und schnittigere Modelle gesetzt. Deshalb sehen sie jetzt aus wie eine Mischung aus Formel-1-Silberpfeil von Mercedes und dem schielenden Löwen Clarence aus der legendären TV-Serie "Daktari". Bei intensiver Betrachtung erkennt man zwar leichte Schwächen beim Zahnbesatz und ein nur halbherzig angedeutetes Fortpflanzungsorgan, aber insgesamt wirken die Löwen 2.0 durchaus dynamisch.

Allerdings umgibt sie auch ein dunkles Geheimnis. Die Löwen wurden nämlich in Remscheid produziert. Das ist für Wuppertaler Lokalpatrioten natürlich ein Schock! Hinzu kommt, dass die Löwen exakt so aussehen wie jene Modelle, die Remscheid 2014 anlässlich der "Löwenparade" zum 85. Stadtgeburtstag produzieren ließ. Eine Aktion genau wie die Pinguinale in Wuppertal, von der offensichtlich noch die Formen übrig geblieben sind. Wir haben jetzt also sozusagen erst gegen das Remscheider Designer-Outlet geklagt, um dann im Remscheider Löwen-Outlet einzukaufen und kriegen selbst überhaupt kein Outlet auf die Reihe — was für eine Schmach ...

"Im Reiche der silbernen Löwen" heißt übrigens eine Tetralogie aus den gesammelten Werken von Karl May. Die vier Romane spielen weitgehend in kargen Wüstenlandschaften des vorderen Orients, Outlets sind darin nicht erwähnt. Sollte irgendwann Teil fünf erscheinen, spielt er wahrscheinlich am westlichen Döppersberg.

Bis die Tage!

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