1. Kolumne
  2. Toreschluss

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire: Gedopte Pokémons

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Gedopte Pokémons

Die Generation Golf und die Generation Praktikum hatten wir ja schon. Jetzt existiert um uns herum die Generation Kopf unten, die so heißt, weil ihre Angehörigen permanent auf ihr Smartphone starren.

Wer deshalb um sich herum kaum noch etwas wahrnimmt, ist ein Smombie - sprich Smartphone-Zombie.

Die Zahl dieser in der realen Welt nur noch begrenzt lebensfähigen Digital-Dösköppe hat in den letzten Tagen dramatisch zugenommen. Das liegt an Pokémon Go. Pokémon Go ist kein neuer laufstarker afrikanischer Außenverteidiger für den WSV, sondern ein gerade auf den Markt gekommenes Handy-Spiel, das in den vergangenen Tagen zehn Millionen Deutsche heruntergeladen haben. Dabei kann man kleine Kuscheltiermonster jagen, die das Game virtuell in der richtigen Welt platziert und auf dem Handy anzeigt.

Das Spiel nutzt dazu die GPS-Daten und die Kamera des Smartphones, das vibriert, sobald beispielsweise eine bewaffnete adipöse Schildkröte oder eine Art rotwangiges Kaninchen mit Flügeln neben einem auf die Schwebebahn wartet oder vor einem in der Poststraße am Handyshop-Schaufenster steht. Da muss man dann möglichst nah rangehen, damit das Monster im Kamerabild erscheint. Dann kann man es mit Pokébällen abwerfen, indem man wie ein Bekloppter über das Display wischt.

  • Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Juristen und Jingle Bells
  • Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Der Geisterbahnhof
  • Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Mutwillige Verstopfung

Früher gab es ein vergleichbares analoges Spiel mit Abwerfen namens Völkerball, das aber in mehr als 100 Jahren Schulsport nie so populär geworden ist wie jetzt gerade Pokémon Go innerhalb weniger Tage.

Die gefangenen Pokémons kann man übrigens in virtuellen Arenen gegen die Taschenmonster anderer Spieler kämpfen lassen, wenn man höhere Level erreicht hat. Um dorthin zu kommen, braucht man unter anderem Sternenstaub, Bonbons und Ei-Brutmaschinen, was insgesamt nahelegt, dass Pokémon Go bei einer Projektwoche von Insassen einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung entwickelt wurde.

Das wirft natürlich die Frage auf, warum sich rechnerisch jeder achte Deutsche mit diesem Quadratunsinn beschäftigt. Der Reiz könnte darin liegen, dass passionierte Computerspieler teilweise schon seit Jahren nicht mehr vor die Tür gegangen sind. Wer bei Pokémon Go mitmachen will, muss das aber. So entdecken die Hardcore-Gamer plötzlich, dass es frische Luft gibt und Strahlung nicht nur vom Computer, sondern auch von der Sonne ausgehen kann.

Einige sehen auch zum ersten Mal andere Menschen, die gar keine Avatare sind. Manche sind aber auf der Schnittstelle zwischen richtiger und erweiterter Welt tendenziell überfordert und müssen dann feststellen, dass es keine gute Idee ist, mitten auf dem linken Fahrstreifen der B7 zu Fuß Pokémons zu fangen. Sie wussten nicht, dass man dort nur ein Leben hat ...

Apropos Leben: Bei Pokémon Go kann man auch neue Monster bekommen, indem man Eier ausbrütet. Damit die schlüpfen, muss man aber bis zu zehn Kilometer mit dem Smartphone laufen, was für echte Gamer nicht darstellbar ist. Deshalb sind die ersten jetzt auf die Idee gekommen, ihr Handy an Haustieren oder Staubsaugerrobotern zu befestigen, um Strecke zu schinden. Smombies betrügen mit Elektro-Doping bei Pokémon Go - die Welt wird wirklich immer verrückter ...

Bis die Tage!