Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Der Geisterbahnhof

Wuppertal · Fußball ist paradox: Wenn ein Spiel von der Spannung lebt, kann der Zuschauer trotzdem vor Langeweile sterben. So wie bei den EM-Krachern Portugal gegen Kroatien oder Wales gegen Nordirland. Die hatten zusammen noch weniger Torchancen als Schiedsrichter-Legende Pierluigi Collina Haare auf dem Kopf.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Polen gegen Portugal am Donnerstag war leider auch nicht besser. Bei so einem einschläfernden Ballgeschiebe kurz vor Mitternacht bekommt der Begriff K.o.-Runde eine ganz neue Bedeutung. Inzwischen sickerte sogar durch, dass sich der US-Geheimdienst die Zweitverwertungsrechte der Aufzeichnung gesichert hat, um sie in Guantanamo als Folterinstrument einzusetzen.

Mich persönlich haben die Tiefpunkte der Fußball-Europameisterschaft spontan an die Deutsche Bahn erinnert: Alle Akteure spielen so lange Rückpässe in der eigenen Hälfte, bis am Ende gar nichts dabei herauskommt und die Zuschauer randalieren - das ist doch genau wie beim Wuppertaler Hauptbahnhof.

Den findet die Bahn nach neuesten Erkenntnissen offenbar doch noch so schön, dass sie erstmal Stuttgart 21, 22 und 23 sowie Bochum 1984 fertig machen möchte, bevor unser Empfangsgebäude drankommt. Das muss ja auch sehr behutsam saniert werden, immerhin handelt es sich um eine Art Freilichtmuseum mit dem Thema "Schienenverkehr im 19. Jahrhundert". Wir könnten natürlich auch ein Schild "Geisterbahn" dranmachen. Das wäre herrlich doppeldeutig und wir könnten vielleicht Eintritt nehmen.

Diese Geldquelle würde dann sehr langfristig sprudeln, weil die Bahn ihre Abrisskolonne frühestens ohne Gewähr vielleicht dann in Marsch setzen will, wenn der ganze Döppersberg und die von der Stadt auf eigene Kosten sanierte Fassade des Potemkinschen Bahnhofsdorfes fertig ist. Der arglose auswärtige Besucher wird dann 2018 staunend den schönsten und neuesten Bahnhofsvorplatz Deutschlands überqueren und dahinter in eine Mischung aus vollgeschissenem Taubenhaus und zerstörtem Weltkriegsbunker stolpern.

Völlig verstört wird er sich umsehen und tief enttäuscht ein Zitat des soeben von uns gegangenen Horst Schimanski in die graue Hölle schreien: "Mensch Wuppertal: Keine Haare am Sack, aber im Puff drängeln!"

Bis die Tage!

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