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Nach Toreschluss - die Wochenendsatire: Das Gnadengesuch

Nach Toreschluss - die Wochenendsatire : Das Gnadengesuch

Immer diese Verkehrsraudis! Einer sitzt mir seit Wochen am Schreibtisch gegenüber und starrt immer wieder auf einen längst bezahlten Strafzettel, der ihm mehr als 90 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg auferlegt.

Er war voriges Jahr auf der A3 in der Baustelle am Heumarer Kreuz 82 statt der angeblich erlaubten 60 Kilometer pro Stunde gefahren.

An das entsprechende Schild konnte er sich allerdings gar nicht mehr erinnern. Das ist nicht unbedingt überraschend, denn er gehörte zu den rund 450.000 Autofahrern, die an dieser Stelle zwischen März und Dezember zu Unrecht geblitzt wurden, weil leider niemand eben diese Schilder mit der entsprechenden Geschwindigkeitsbegrenzung aufgestellt hatte.

Als normaler Mensch würde man nun erwarten, dass ein Schreiben mit einer Entschuldigung kommt, das schon bezahlte Geld zurückerstattet und der Punkt automatisch wieder gestrichen wird. Als Beamter prüft man dagegen die Zuständigkeit und die Frage, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage für eine Erstattung und den Punktabzug gibt.

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Das führte zu einem monatelangen Behörden-Hickhack zwischen der Stadt Köln und der Bezirksregierung, bei dem im Wesentlichen herauskam, dass die Blitzer-Opfer zwar nichts falsch, dieses nichts falsch im bürokratischen Sinne aber keinesfalls richtig gemacht haben. Immerhin einigten sich die Beamten am Ende auf ein natürlich völlig "freiwilliges Ausgleichsprogramm", bei dem die Schein-Raser per Online-Formular ihr Geld zurückholen können.

Aber: Unverdiente Punkte in Flensburg, so ließ man auch unseren Kollegen wissen, kann man damit nicht tilgen. Dafür müsse er vielmehr ein Gnadengesuch an die Bezirksregierung richten.

Gnadengesuche kenne ich im Wesentlichen noch aus der Zeit des Feudalismus und weiß daher, dass man bei deren Erstellung sehr vorsichtig sein muss. Ich habe dem Kollegen also da mal was formuliert, damit er nicht am Ende noch den Führerschein oder gar den Kopf verliert. Er sollte so was schreiben wie:

"Oh wirkmächtiger Herrscher des ruhmreichen Regierungsbezirkes Colonia, der du in unendlicher Weisheit gebietest über das segenbringende Netz unserer Nah- und Fernstraßen, erhöre das Flehen des geringsten deiner Verkehrsteilnehmer, als der ich mich heute an dich wende. Dereinst wagte ich es, mit meinem nichtswürdigen Bleifuß dein edles Asphaltband bei Heumar zu beschmutzen, worob man mich des Übertretens der von dir in wohlmeinendem Ratschluss auf 60 Stundenkilometer festgesetzten Höchstgeschwindigkeit um 22 Stundenkilometer zieh.

Auch wenn ich als nichtswürdiger rasender Wurm, der sich täglich gierig an deiner Verkehrsinfrastruktur labt, gewiss jede noch so harte Strafe verdient habe, so gebe ich doch untertänigst zu bedenken, dass deine Schergen dereinst vergaßen, uns dein fürsorgliches Gebot auch in schilderner Form anzuzeigen. Solltest du also in deiner grenzenlosen Güte diesen Umstand beim Abwägen meiner Fürbitte in Erwägung ziehen und mir darob die große Gnade erweisen, das Joch des mir auferlegten Punktes wieder von mir zu nehmen, so werde ich deinen wohlklingenden Namen auf ewig preisen und hochleben lassen. Und ich würde geloben, fürderhin mein Auto nur noch zu schieben, auf dass ich keinen Argwohn des Verkehrsherrn mehr auf mich ziehen möge.

Euer Selbstherrlichkeit verzeihe die Umstände, die ich mit meiner Eingabe gemacht habe — immer zu euren Steuerdiensten verbleibe ich in automobiler Demut euer treuer Untertan aus Wuppertal."

So ließe sich die Sache vielleicht noch aus der Welt schaffen. Alternativ könnte man natürlich auch mal prüfen lassen, ob die beteiligten Behördenmitarbeiter kollektiv mit überhöhter Geschwindigkeit vor die Wand gelaufen sind ...

Bis die Tage!