Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Cayla und der Family Hub

Wuppertal · Blonde und blauäugige Püppchen waren bisher vor allem für naive Männer mit dickem Geldbeutel gefährlich. Jetzt hat sich die Sachlage geändert. Wegen Cayla.

 Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Cayla ist eine blonde und blauäugige Spielzeugpuppe, die sich mit dem Internet verbinden und daher Fragen kleiner Kinder schlau beantworten und mit ihnen selbstständig sprechen kann. Das hat den kleinen Nachteil, dass Cayla gehackt werden kann. Gangsterbanden haben damit die Möglichkeit, ahnungslosen Kindern Befehle zu geben. Zum Beispiel so welche wie "Mach mal eure Haustür für meine netten Freunde mit den schwarzen Masken auf". Außerdem können sich die Hacker mit dem eingebauten Mikrophon auch mal ein bisschen im Wohnzimmer umhören.

Die Bundesnetzagentur hält Cayla daher für eine versteckte sendefähige Anlage, deren Besitz strafbar ist. Um der Verhaftung vorzubeugen, sollen Eltern die blonde Cyber-Cayla deshalb professionell entsorgen und den Vernichtungsnachweis einer Abfallwirtschaftsstation an die Agentur schicken. Erfahrene Pädagogen wissen, dass diese Empfehlung ein gewisses familiäres Konfliktpotenzial birgt, weil speziell kleine Mädchen Themen wie der professionellen Entsorgung ihrer Lieblingspuppe tendenziell skeptisch gegenüber stehen. Außerdem müssten Eltern nach Vernichtung von Cayla ja wieder selbst mit ihrem Kind reden, was auch große Probleme aufwerfen kann.

Gesteuert wird Cayla übrigens - wie mittlerweile so ziemlich alles - per Smartphone-App. Viele Menschen haben ja jetzt sogar schon ein "Smart Home", bei dem man vom Urlaub in Mallorca aus per Internet die Kaffeemaschine zu Hause starten kann. An der App dafür, den Kaffee auch online trinken zu können, wird allerdings noch gearbeitet.

Mittelfristig müssen wir uns trotzdem darauf einstellen, dass im Haushalt immer mehr Geräte miteinander vernetzt werden. Sogar mein Auto kann WLAN und liest mir SMS vor. Bis die dafür nötigen Einstellungen konfiguriert sind, habe ich aber meistens vergessen, wo ich eigentlich hinfahren wollte.

Gerade erst sah ich außerdem erstaunt Werbung für eine Kühl-Gefrierkombination, die nicht von Bosch oder Miele, sondern vom Hersteller meines Handys produziert wird. Das mannshohe Gerät hat ein Display in der Größe einer Stadionanzeigetafel, auf dem das Fernsehprogramm aus dem Wohnzimmer gespiegelt wird und laufend Text-, Video- oder Voicemail-Nachrichten sämtlicher Familienmitglieder auflaufen. Sogar das Wetter wird angezeigt. Das ist nützlich, weil es ja immer mehr junge Menschen gibt, die gar nicht wissen, dass es Windows nicht nur auf dem Computer, sondern auch in der Hauswand gibt und man dadurch auch noch analoges Echt-Wetter angucken kann.

Der Name "Kühlschrank" wäre für diesen vernetzten Froster natürlich viel zu profan. Deshalb heißt er "Familiy Hub". Hub ist keine Anspielung auf den ebenfalls relativ unterkühlten holländischen Ex-Schalke-Trainer Stevens, sondern der Fachbegriff für ein digitales Kopplungsinstrument. Schließt man die Tür dieser Familienkupplung, machen drei hochauflösende Innenraumkameras Fotos der vorhandenen Lebensmittel, die automatisch mit der digitalen Einkaufsliste auf der Smartphone-App synchronisiert werden. Bestimmt gibt es dafür bald auch eine Diät-Extension, bei der das Handy der EC-Karte verbietet, das Ersetzen vom Family Hub als aufgebraucht gemeldeter Tiefkühl-Pommes und Mayo zu bezahlen.

Damit sich die ganzen Apps und Geräte überhaupt verstehen, muss man übrigens dauernd Updates machen. "Update" ist Englisch und heißt übersetzt: "danach funktioniert nichts mehr" ...

Oh, Moment mal! Ich muss leider schnell Schluss machen. Die Überwachungskamera an unserer smarten Haustür meldet soeben per MMS einen Einbruchsversuch. Das Foto zeigt die kleine Tochter der Nachbarn, die gerade unser Schloss aufbohrt. Neben ihr sitzt eine blonde Puppe mit blauen Augen.

Bis die Tage!

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