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Aus dem Tagebuch der Redaktion: Einfach nur ein Einzelfall — oder?

Aus dem Tagebuch der Redaktion : Einfach nur ein Einzelfall — oder?

Omar Maaraawi ist 59, Syrer, lebt mit seiner Frau seit zwei Jahren in Deutschland. Er wohnt in Wichlinghausen, ist Musiker, spielt die Oud, die orientalische Laute. Außerdem ist er Oud-Instrumentenbauer, hat gute Kontakte zur katholischen Gemeinde der Kirche in seiner Wichlinghauser Straße.

Aus gutem Grund: Omar Maaraawi ist Christ — konvertiert schon als Jugendlicher. Christen sind in Syrien eine Minderheit — Omar Maaraawi hat sich dort nie getraut, sich dazu zu bekennen.

Als Maaraawi nach Deutschland kam, freute er sich, seinen Glauben offen leben zu können. Dann aber wurde er, so sein Bericht, von einem ebenfalls geflüchteten Landsmann in den Wartebereichen des Jobcenters und der Tafel beschimpft und bedroht. Außerdem soll es in Maaraawis Wichlinghauser Hobby-Werkstatt zu einer Messer-Attacke gekommen sein — weil Maaraawi kein Moslem (mehr) sei. Der Angreifer soll aufs Übelste gegen das Christentum gepöbelt und viel Geld gefordert haben — als "Wiedergutmachung" für den Übertritt zum Christentum. Und dass Maarawi das Glaubensbekenntnis des Islams aussprechen solle.

 Omar Maaraawi ist 59, Syrer, lebt mit seiner Frau seit zwei Jahren in Deutschland.
Omar Maaraawi ist 59, Syrer, lebt mit seiner Frau seit zwei Jahren in Deutschland. Foto: Simone Bahrmann
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Die Vorfälle kamen zur Polizei. Aber: Für den Angriff in der Werkstatt gibt es keine Zeugen, im Jobcenter gibt es Kameras, doch sie funktionierten nicht — und keiner der anderen Flüchtlinge möchte aussagen. Omar Maaraawi: "Das Problem ist, dass kein Moslem bereit ist, eine Aussage gegen einen anderen Moslem zu machen zugunsten eines Nicht-Moslems." Ergebnis: Das Ermittlungsverfahren gegen den Angreifer wegen Bedrohung (Datum der Strafanzeigen: 21. Juni und 4. Oktober 2017) wird eingestellt. Es steht Aussage gegen Aussage.
Als Omar Maaraawi der Rundschau seine Geschichte erzählt, hilft in Sachen Sprache ein junger Syrer. Den hat Maaraawi unterwegs nach dem Weg zur Redaktion gefragt und dann mitgebracht. Der junge Mann ist erst ein Jahr in Wuppertal, spricht schon sehr gutes Deutsch — und schüttelt angesichts der Maaraawi-Erlebnisse immer wieder den Kopf: "Nein, der Islam ist nicht so. Aber leider gibt es immer wieder solche Leute."

Was macht man als Journalist mit so einer Geschichte? Nichts. Oder sie aufschreiben und (sich) Fragen stellen.

Ob das alles nur ein tragischer Einzelfall ist? Es gibt in Wuppertal etwa 50 Christen unter den rund 4.500 syrischen Flüchtlingen. Ob das ein Beispiel dafür ist, was manche "muslimische Parallelwelten" nennen? Ob wir uns in der "Salafistenhochburg Wuppertal" (so der NRW-Verfassungsschutz) daran gewöhnen müssen, dass spezielle religiöse und/oder religionstraditionelle Probleme mitten unter uns ausgetragen werden? Ob das Geschrei nach Videoüberwachung irgendwem hilft, wenn die Technik dann nicht funktioniert? Ob unsere Gesellschaft und/oder unser Rechtssystem kein sicheres Umfeld bieten, in dem sich eventuelle Zeugen aus ihren Traditionsverkrustungen lösen könn(t)en? Und ob die, deren Job das Thema Integration ist, überhaupt Werkzeuge für diese Probleme haben?