Kommentar zum jüdischen Leben in Wuppertal Kennenlernen gegen Vorurteile

Wuppertal · Ich wünschte, mir wäre die Idee Leonid Goldberg einmal zu besuchen, eher gekommen.

 Rundschau-Redakteurin Nina Bossy.

Rundschau-Redakteurin Nina Bossy.

Foto: Simone Bahrmann

Bevor ein Syrer in Berlin einen Juden auf offener Straße angegriffen hat, ein Video der Tat für bundesweites Entsetzen sorgt und Judentum in Deutschland wieder so unmittelbar mit Judenhass verknüpft wird. Dann hätte ich mit ihm über die jüdischen Feste statt über Spuckattacken gesprochen und ihm ausführlicher erzählt, dass ich als 18-Jährige einmal mit drei Freundinnen in einem Kibbuz nahe Jerusalem auf einer Wiese saß, koscheren Wein getrunken habe und dass ich damals die wohl intensivste Reise meines bisherigen Lebens erlebt habe.

Ich bin aber nicht vorher auf die Idee gekommen, weil auch mir das jüdische Leben in Wuppertal gar nicht so präsent war. Dass es vielen jungen Wuppertalern anders geht, verdanken wir engagierten Lehrern, die trotz voller Lehrpläne mit der Synagoge Führungen vereinbaren und dort ihren Klassen gelebtes Judentum in ihrer Stadt zeigen. Denn so wichtig es auch ist, dass der Holocaust im Unterricht besprochen wird, sollte eigentlich jeder Wuppertaler erfahren, dass Judentum nicht nur eine schreckliche Geschichte hat, sondern auch eine gelebte Gegenwart, mitten unter uns. Und wer mit den Gemeindemitgliedern ins Gespräch kommt, lernt zu differenzieren. Zwischen Juden und Israeli, Familien, Charakteren. Und dann werden tradierte und verallgemeinernde Vorurteile gegen Juden endlich ersetzt durch das Bild einer bunten Gemeinschaft verschiedener Herkunft, Meinungen und Blickwinkel. Eigentlich wünschte ich mir, dass einmal jeder Text über das Judentum in der Gegenwart ohne das Besprechen von antisemitischen Attacken auskommen würde.

Das nächste Mal, wenn ich zur Synagoge fahre, wird es fröhlicher. Leonid Goldberg hat mich in den Mail-Verteiler der Gemeinde aufgenommen und ich werde dort die nächste Veranstaltung besuchen. Kommen Sie doch mit. Denn, wer jüdisches Leben sieht und kennt, kann es auch besser vor den Unwissenden verteidigen und so einen Beitrag leisten, zumindest in seinem Umfeld mit Vorurteilen aufzuräumen.

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