Kommentar zum neuen NRW-Ladenschlussgesetz Das war längst überfällig

Wuppertal · Mit dem Gezerre um die verkaufsoffenen Sonntage gegen Ende des vergangenen Jahres hatten wir Medienleute ja alle fünf Minuten ein neues Thema. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, "Ver.di" sagt Jein, "Ver.di" sagt Nein, die Einzelhändler geben Werbegeld aus, die Einzelhändler werfen es zum Fenster raus.

 Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz.

Foto: Bettina Osswald

Am Ende gab's in Wuppertal einen einzigen offenen Sonntag.

Jetzt hat die NRW-Landesregierung aus CDU und FDP ein neues Ladenschlussgesetz auf die Beine gestellt. Acht offene Sonntage sind nun erlaubt, vor allem aber haben sich die Möglichkeiten, Anlässe dafür zu finden, gravierend verändert. Nicht mehr nur Feste, Märkte & Co. müssen es jetzt sein (die stehen nach wie vor im Gesetz), sondern das öffentliche Interesse gilt auch dann, wenn's um Einzelhandelsstärkung, Stadtmarketing oder die Innenstadtbelebung geht.
Ich finde das nicht nur gut, sondern auch höchste Zeit.

Es war längst überfällig, dass eine deutliche Entzerrung, eine deutliche Liberalisierung und eine deutliche Öffnung dieses "Sonntags-Tunnels" realisiert wurde. Wenn eine Verwaltung wie die in Wuppertal beispielsweise von den Barmer Händlern, die zur letzten "ChocolART" gern einen offenen Sonntag gehabt hätten, gerichtsfeste Besucherstromprognosen und den wasserdichten Nachweis verlangt, dass die Mehrheit der Menschen wegen der Schokolade und nicht wegen der geöffneten Geschäfte kommt, dann zeigt das, wohin die verbiesterte Praxis der Vergangenheit alle Beteiligten getrieben hat. Davon, dass damals im Raum stand, es könne eventuell zur "ChocolART" sonntags geöffnet werden, dann dürften aber alle offenen Geschäfte ausschließlich (!!!) Schokoladenprodukte verkaufen — von solch einem Wahnwitz will ich gar nicht reden.

Früher war alles besser — beim Thema Sonntagsöffnung stimmt das. Der Stress fing an, als man in Velbert vor einiger Zeit mit einer Innenstadtöffnung, zu der man auch gleich die Mega-Märkte am Stadtrand mit ins City-Boot nahm, den Bogen überspannte. Seitdem haben sich (vor allem in Wuppertal) hartleibige "Ver.di"-Hardliner und verbitterte Einzelhändler nicht mehr zusammenfinden können. Die Stadt hat dazu keinen vermittelnden Beitrag geleistet — sie hat mit verwirrenden, missverständlichen Anweisungen aus dem Ordnungsamt (siehe oben) die Lage eher noch verschlimmbessert.

Hoffen wir, dass jetzt mehr Ruhe und Gelassenheit einkehren — dass die in anderen Kommunen offenbar funktionierenden Konsensgespräche, die vor jeder Sonntagsöffnung stattfinden (sollten), auch in Wuppertal wieder beginnen. Es nützt niemandem, wenn niemand nachgeben mag. Das müssen sich alle Beteiligten ins Stammbuch schreiben.

Damit das klar ist: Ich bin (wie es meiner Meinung nach alle abhängig Beschäftigten sein sollten) Mitglied einer Gewerkschaft — in meinem Fall "Ver.di". Ich halte starke, selbstbewusst positionierte Gewerkschaften für unverzichtbar. Sie sollten aber — ohne Verzettelung auf sonntäglichen Nebenkriegsschauplätzen — bei den großen Themen der Arbeitswelt ihre Muskeln spielen lassen: Rauf mit dem Mindestlohn, weg mit dem unerträglichen Mini-Job-Wildwuchs, Schluss mit der selbstverständlich gewordenen Befristung von Arbeitsverhältnissen.

Ich persönlich brauche keine verkaufsoffenen Sonntage. Aber diese Tage (mir hätten fünf auch gereicht) sind ein wichtiges Marketing-Instrument und ein guter Contra-Online-Handel-Hebel für die kleinen und großen lokalen Geschäfte. Außerdem sind viele, viele Menschen dafür: Die jeweils vollen Citys zeigen das.
"Ver.di" wird auch gegen das neue Ladenschlussgesetz juristisch aktiv werden. Das ist das gute Recht der Gewerkschaft. Es wird sich ohnehin erst in der Praxis zeigen, wie dieses neue Gesetz den Wirklichkeitstest besteht. Mal sehen, welche Stadt den ersten Schritt macht, und sich traut ...

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