Der ESC-Blog des Wuppertaler Musikexperten Peter Bergener Glückwunsch an Portugal!

Wuppertal / Kiew · "Bom Dia" und herzlichen Glückwunsch an Portugal, das den 62. Eurovision Song Contest gewonnen hat. Mit der herzergreifenden und portugiesisch vorgetragenen Ballade "Amar pelos dois" sang sich Salvador Sobral sowohl in die Herzen der TV-Zuschauer als auch in die der Jury.

 Levina gab alles, holte aber kaum Punkte.

Levina gab alles, holte aber kaum Punkte.

Foto: Peter Bergener

Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen ist Portugal nun im Besitz der begehrten Siegertrophäe, einem gläsernen Mikrofon, dessen große Nachbildung bereits in den vergangenen zwei Wochen auf dem Sophienplatz in Kiew ein begehrtes Fotoobjekt war. Auf den zweiten Platz kam der erst 17-jährige Kristian Kostov. Zu meiner großen Freude wurde der erfrischende Song "Hey Mama" der Gruppe "Sunstroke Project" aus Moldawien auf dem 3. Platz gesetzt. Es ist der beste Platz für das Land.

Für Portugal, das seit 1964 teilnimmt, ist endlich der Bann gebrochen: Nach über 50 Jahren nicht gerade großartiger Erfolgsbilanz in der Eurovision war ein Sieg somit längst überfällig. Ich freue mich so sehr!

 Die Sieger: Salvador und Luisa Sobral.

Die Sieger: Salvador und Luisa Sobral.

Foto: Peter Bergener

Die Jazz-Ballade von Sobral ist übrigens ein Familienprojekt, denn Salvadors Schwester Luisa hat ihm das Lied auf den Leib geschrieben. Überraschenderweise sang Luisa, die auch Sängerin ist, mit ihm zum Schluss noch einmal das Siegerlied. Mir gefiel die Stimme von Luisa nicht minder als die von ihrem Bruder. Die Sobrals entstammen einer Adelsfamilie, die sehr musikalisch zu sein scheint und auch musikalische Botschaften verkündet. Nach seinem Sieg rief Salvador dazu auf, endlich wieder "Musik, die etwas bedeutet" anstatt oberflächliche Musik und Bühnenshows mit Feuerwerk etc. zu machen. Seine Botschaft:"Musik ist Gefühl" gefällt mir und noch mehr, dass das Siegerlied in der Heimatsprache gesungen worden ist. Das bedeutet, dass wir vielleicht nächstes Jahr weniger Englisch und Gott sei Dank mehr Sprachenvielfalt haben werden.

Der bei den Buchmachern und auch bei mir haushoch favorisierte Italiener Francesco Gabbani schaffte es leider nur auf Platz 6, aber das ist ja immerhin noch ein sehr guter Platz. Der Sieg in der Eurovision ist nicht vorhersehbar und oft, so wie auch im vergangenen Jahr, entscheiden manchmal die letzten paar Tage vor dem Finale.

 Peter Bergener mit der übergroßen Siegertrophäe, dem gläsernen Mikrofon.

Peter Bergener mit der übergroßen Siegertrophäe, dem gläsernen Mikrofon.

Foto: Bergener

Doch auch noch ein Wort über unsere arme Levina, die trotz eines souveränen Auftritts nur auf den vorletzten Platz gekommen ist. Die drei Punkte der irischen Jury werden in die deutsche ESC-Geschichte eingehen — wie auch die zusätzlichen drei Punkte der TV-Zuschauer. Wir sind somit haarscharf um einen Punkt am letzten Platz vorbeigeschlittert. Der letzte Platz ging dieses Jahr nämlich mit 5 Punkten an Spanien. Eine herbe Enttäuschung für Deutschland, aber muss auch zugeben, dass wir Deutschen es auch in Zukunft unbedingt anders machen müssen.

Man sieht an dem Ergebnis, dass wir keinen amerikanischen Komponisten brauchen, und warum sollten wir nicht auch mal wieder deutsch singen? Außerdem fehlt es uns an Identität nicht nur mit unserem deutschen Song, sondern auch mit dem Künstler. Während in anderen Ländern deren Songs bereits in den einheimischen Charts stehen, kannten bis kurz vor dem Finale viele gar nicht mehr unser Lied. Es herrscht ein allgemeines deutsches Desinteresse an dem Wettbewerb und das kann sich nur ändern, wenn wir einen Künstler nominieren, der etabliert ist und hinter dem eine große Fan-Base steckt.

 Der Italiener Francesco Gabbani verpasste den Sieg deutlich.

Der Italiener Francesco Gabbani verpasste den Sieg deutlich.

Foto: Peter Bergener

Es ist traurig zu bemerken, dass es Radiosender gibt, die nicht einmal den Song in ihrer Rotation haben, aber jetzt groß gerne darüber lamentieren und berichten, wie schlecht wir Deutschen im ESC sind. An Levina und ihrer künstlerischen Begabung hat es auf keinen Fall gelegen. Sie ist eine fantastische Sängerin und beweist dies auch auf ihrem Debüt-Album "Unexpected".

Über das weitere Ergebnis einiger Länder im Finale bin ich aber sehr zufrieden. Bei meiner persönlichen TOP10, die ich im Blog nannte, habe ich immerhin sieben Songs richtig getippt. Lassen wir mal in den nächsten Wochen die Charts durchleuchten, mal sehen, welche Songs der diesjährigen Eurovision-Hits geworden sind.

Vielen Dank, dass Ihr alle meine Berichte verfolgt habt. Ich freue mich, dass es nächstes Jahr in den Süden geht: Lissabon, ich komme!

Viele musikalische Grüße sendet der Euro-Music-Peter!

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