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Bundestagswahl 2017: Dreigestirn aus Wuppertal für Berlin

Bundestagswahl 2017 : Dreigestirn aus Wuppertal für Berlin

Das war ein ziemlich langer Wahlabend für die politisch Interessierten im Barmer Rathaus. Erst um viertel vor neun traute Helge Lindh (SPD) seinem bis dahin ausgezählten Erststimmen-Vorsprung und trat als Sieger im Wahlkreis Wuppertal I aufs Podium.

Ein Rundgang durch die verschiedenen politischen Lager.

Eine nervöse Anspannung herrschte bei der SPD direkt nach Bekanntgabe der katastrophalen Ergebnisse der ersten Bundes-Prognose nach Schließung der Wahllokale. Die legte sich schon gar nicht, als auch das Wuppertaler Erststimmenergebnis nichts Gutes verhieß. Erst peu à peu baute Helge Lindh einen Vorsprung auf, der bis zum Schluss hielt. Dass der Newcomer in Berlin zunächst die harte Oppositionsbank drücken muss, focht ihn nicht an: "Diese Entscheidung ist bei unserem Gesamtergebnis alternativlos." Lautstarke "Helge-, Helge-Chöre" der Genossen begleiteten seinen Auftritt auf der Wahlbühne. Doch Lindh ist kein Freund großer Siegerposen, bedankte sich artig bei den Helfern und seinen fairen Mitbewerbern, zeigte sich aber bestürzt über das AfD-Ergebnis - "eine Schande für unser Land."

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Ein Wechselbad der Gefühle durchlebten auch die CDU-Anhänger. Rainer Spiecker pendelte zwischen dem Monitor im Ratscasino und dem fast menschenleeren Flur hin und her: "Mal liegt man vorne, dann wieder hinten, das macht mich völlig kirre", bekannte er freimütig. Im Laufe des Abends sah die Union jedoch eher noch als die SPD Spieckers Chancen schwinden. Dabei hatten er und sein Team 9.660 Hausbesuche absolviert — ein "Rekord für Wuppertal" und ein positives Feedback bekommen. Aber entscheidend ist halt immer an der Urne... Immerhin konnte sich die CDU über den Direkteinzug von Jürgen Hardt freuen, der zum dritten Mal den "Südhöhen"-Wahlkreis mit Solingen, Remscheid, Cronenberg und Ronsdorf gewinnen konnte. Der außenpolitische Sprecher seiner Bundestagsfraktion kritisierte die Entscheidung der SPD, in die Opposition gehen zu wollen - aber vielleicht sei das letzte Wort darüber ja noch nicht gesprochen.

Andernorts richtete man sich jedoch schon auf interessante Koalitionsgespräche ein. Etwa bei der FDP, wo bei den ersten Hochrechnungen großer Jubel aufbrandete. Ganz anders als vor vier Jahren, wo die Freidemokraten den Einzug in den Bundestag verfehlten, trug zur guten Stimmung vor allem die frühe Erkenntnis bei, dass mit Manfred Todtenhausen einer der ihren den Einzug ins Parlament schaffen würde. Der freute sich schon auf den nächsten Morgen, wenn die neue Faktion in Berlin zum ersten Mal zusammenträte. Ob "Jamaika" eine realistische Chance habe? Ja, meinte er wie sein örtlicher Parteichef Marcel Hafke, aber nicht um jeden Preis, dafür müsse jeder Kröten schlucken.

Ganz andere Träume hatte Claudia Schmidt von den Grünen gehegt: "Ich hätte ein rot-rot-grünes Bündnis als spannend empfunden". Der "alte" Bundestag hatte diese Option rechnerisch hergegeben, der neue hingegen nicht mehr. Dass nun Jamaika zum Zuge kommt, wollte auch sie nicht ausschließen, stellte aber ein basisdemokratisches Votum dazu in Aussicht. Das Ergebnis der AfD dokumentierte nach ihrer Ansicht, "dass sich viele Menschen von der Politik nicht ernst genommen fühlen."

Einen vergleichsweise ruhigen Abend verbrachten die Linken, die im Vergleich zur letzten Bundestagswahl immerhin zwei Prozentpunkte hinzugewinnen konnten. Ihr Kandidat Bernhard Sander zeigte sich zufrieden, dass die "klaren Aussagen zur sozialen Gerechtigkeit" offenbar angekommen seien. Doch auch er war bestürzt über das AfD-Resultat: "Das ist ein rassistischer Tabubruch."

Und die AfD selbst? Trat im Rathaus erwartungsgemäß nicht in Erscheinung. Die Homepage des Wuppertaler Kreisverbandes zierte am Montag ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer mit der Schlagzeile "Danke Deutschland". Das wird sich die Kanzlerin angesichts der bevorstehenden komplizierten Regierungsbildung insgeheim auch sagen ...