Aus dem Blog der Rundschau-Redaktion (26) Fußball-Deko XXL

Wuppertal · Vor der Fußball-WM 2014 hatte sich der Rundschau-Humorbeauftragte Roderich Trapp mit einer Glosse aus seiner Rubrik "Nach Toreschluss" zu Hause Ärger eingehandelt. Der Beitrag mit dem Titel "Wichtig ist auf'm Sofa" nahm nämlich den Deko-Eifer seiner Gattin beim heimischen Rudelgucken auf die Schippe (Beitrag zum Nachlesen weiter unten).

 Für Gaumen und Augen.

Für Gaumen und Augen.

Foto: Roderich Trapp

In unserer Beilage zu EM 2016 hat er ihn frecherweise auch noch in upgedateter Form wiederholt. Nur um dann festzustellen, dass es dekotechnisch auch noch viel extremer geht: Beim semiprofessionell aufgezogenen Private-Public-Viewing in einer zum Fußball-Tempel ausgebauten Scheune auf den Wuppertaler Nordhöhen war er vor dem Krimi gegen Italien sprachlos angesichts schwarz-rot-goldener Themenpizza und schwarz-rot-goldenem Kuchen — siehe Fotos.

Jetzt wartet er nur darauf, dass die kreative Herrin des Private-Viewing-Hauses den direkt neben der Scheune heimischen schwarz-weißen Riesenkaninchen vier unterschiedliche neonfarbene Socken strickt, damit auch die aussehen wie ein Nationalspieler. Angesichts der Personalnot bei Jogi wären zwei vierbeinige Sechser im Mittelfeld ja unabhängig davon keine schlechte Sache ...

 Wer kann da schon nein sagen?

Wer kann da schon nein sagen?

Foto: Roderich Trapp

Nach Toreschluss: Wichtig ist auf'm Sofa

Früher war Fußballgucken einfach: Kiste Bier, ein paar sachkundige Kumpels, größere Mengen Chips — und Anstoß! Ein angenehm überschaubares Arrangement aus der Zeit, bevor insbesondere Europa- und Weltmeisterschaften zu einem Event wurden, das auch Frauen immer mehr in seinen Bann zieht. Wichtig ist bei denen nicht auf dem Platz, sondern auf dem Sofa. Frauen können sich nämlich aufgrund ihrer genetischen Disposition nicht einfach zu der Kiste Bier und den Kumpels setzen und Fußball gucken, sondern müssen für ein dem Ereignis angemessenes Ambiente sorgen. Meine Gattin spricht hier selbstkritisch vom "Gästesyndrom", das zur Anschaffung unaussprechlicher Mengen themenbezogener Dekorationsartikel führt, die rund um die Bierkiste und die Kumpels drapiert und sodann von den neuerdings ebenfalls mitgeführten Kumpel-Frauen gelobt werden.

In unserem Fall führte das schon vor einem Jahr dazu, dass unter Verweis auf die bevorstehende EM ein größerer Posten Servietten mit Fußball-Motiven angeschafft wurde. Mein fachlicher Einwand, dass man besser erst mal abwarten sollte, ob sich Deutschland überhaupt qualifiziert, blieb dabei ohne Berücksichtigung. Stattdessen wurde ich dahingehend belehrt, dass man ja wohl bei einer EM keine Spargelservietten aufdecken könne. Der erneute Einwand, dass man früher eigentlich weder für den Verzehr der Chips noch für die zügige Druckbetankung mit einer Kiste Bier überhaupt Servietten brauchte, stieß ebenfalls ins Leere. Denn mit Näherrücken der Endrunde zeichnete sich ab, dass das Auftaktspiel-Catering in weiblicher Regie ohnehin zu einem ungeheuren Themenbuffet samt passender Weinauswahl und am Gegner orientierter folkloristischer Musikbegleitung mutiert. Passend dazu wurden inzwischen über die Servietten hinaus Dekorationsartikel im Gegenwert einer Familienkarte für das EM-Finale angeschafft. Die Auswahl lässt vermuten, dass neben dem legendären "Kicker"-Sonderheft zur Europameisterschaft auch eins von "Schöner Wohnen"

erschienen ist. Bei uns gibt es jetzt Deutschland-Luftschlangen, schwarz-rot-goldene Luftballons und Teelichter, Käsepicker mit Länderfähnchen drauf, Pappteller mit dem Abdruck eines Fußballs, der seit Uwe Seelers Zeiten nicht mehr benutzt wird, und M & M's in unseren Nationalfarben. Außerdem wurde ich angewiesen, beim Empfang der Gästeschar einen runden Anstecker in Form eines Fußballs zu tragen, der mit rot blinkenden LEDs besetzt ist. Das sei hip und gut für die Mannschaft...

Letztlich ist diese Entmannung des Fußballguckens ein Resultat des Sommermärchens 2006, das mit seiner poetischen Geschichte auch Frauenherzen eroberte. Seitdem sind sie am Ball geblieben, weil sie an das Gute im Fußball glauben und Deutschland danach ja immer erfolgreich war. Vizeeuropameister 2008, WM-Dritter 2010, EM-Halbfinalist 2012 und sogar Weltmeister 2014 — da schmeckt das Themenbuffet! Aber wehe, wenn irgendwann der große Rückschlag kommen sollte. Beim deprimierenden Vorrunden-Aus der DFB-Rumpelfußauswahl um Rückpass-Rastelli Didi Hamann 2004 in Portugal saßen die Damen ja noch mit einem Glas Weißwein im Garten.

Sollte sich so etwas möglicherweise irgendwann wiederholen, könnte es dazu kommen, dass Frauen nach dem 1:5 gegen Polen schwer angesäuert die Dekoartikel in die schwarz-rot-goldene Mülltonne kloppen und das Thema Nationalmannschaft abhaken. Dann sind wir wieder unter uns, die Bierkiste, die Kumpels, die Chips und der Fußball.

Bis die Tage!

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